DIE VERDECKTEN SPUREN TONALEN DENKENS

Beobachtungen und Entdeckungen bei den harmonischen Strategien

der Studies von Conlon Nancarrow

 

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"Ich tue, was ich tue, in meiner eigenen kleinen Nische.

Es ist eine begrenzte Ecke, aber ich denke, ich habe sie gut erforscht."

(Conlon Nancarrow)

 

 

 

 

I   (Prolog)

 

Als ich Mitte der 80er Jahre die Musik von Conlon Nancarrow kennenlernte, ist es mir ergangen wie vielen anderen meiner Komponisten-Kollegen: ich war überwältigt von den schier unglaublichen Klangtexturen der „Studies" für das Player-Piano, die auf ungeheuer faszinierende Art und Weise die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten metrischer Komplexitäten ausloten und die dafür ein Instrument nutzen, das seine eigentliche Blütezeit längst hinter sich hatte.

Als reproduzierendes Instrument und Musikmaschine ein Vorläufer von Radio und Schallplatte kannte ich das selbstspielende Klavier nur aus dem Museum und wußte von seinem Einsatz im legendären Skandalstück der 20er Jahre, dem „Ballet mécanique" von George Antheil. Wie aber hier die genuinen Möglichkeiten dieses Instrumentes nicht für die Reproduktion einer Interpretation (wofür das Pianola - wie das selbstspielende Klavier auch genannt wurde - ja ursprünglich gedacht war), sondern produktiv zur Verwirklichung allein kompositorischer Visionen eingesetzt wurde, das überraschte mich aufs Eindringlichste und es ließ die Musikwelt aufhorchen; ein Komponist, der zuvor nur in einem kleinen Insider-Kreis bekannt war, rückte damals nachhaltig in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit.

Das Spektakuläre an den „Studies" ist ihr schier unerschöpflicher Reichtum in der Erkundung polyphoner Zeitabläufe, der Überlagerung unterschiedlicher Taktarten, der Gleichzeitigkeit verschiedener Tempi, zahllose Formen komplexer Rhythmik. All diese Aspekte und damit die ‚übermenschlichen’ Fähigkeiten des Instrumentes werden von Nancarrow bis ins Detail untersucht. Daß das klingende Ergebnis aber alles andere als nach trockener Gehirnakrobatik oder nach Papiermusik klingt, sondern daß analog zum Reichtum rhythmischer und zeitlicher Organisation der musikalischen Texturen ein ebenso großer Reichtum emotionaler Facetten gegeben ist, das zeichnet das Lebenswerk aus, das Nancarrow mit seinen gut 50 „Studies" der Nachwelt hinterlassen hat.

Sicherlich sind es vor allem die polyphonen Aspekte dieser Musik, die aufregend neu sind, im wahrsten Sinne des Wortes ‚unerhört’. Es war - so glaube ich - György Ligeti, der erstmals die „Studies" von Nancarrow als „eine Art wohltemperiertes Klavier des 20. Jahrhunderts" wertete, eine Einschätzung, die mittlerweile viele teilen! In diesem Vergleich zu Bachs großem Klavierwerk spiegelt sich vornehmlich die Erkenntnis, daß Nancarrow ähnlich umfassend und geradezu exemplarisch auf ein Instrument beschränkt ein einmaliges und unvergleichliches Universum polyphonen Denkens entworfen hat.

So behandeln auch die ersten Analytiker der „Studies", bei denen wohl an erster Stelle der amerikanische Komponist James Tenney [1] genannt werden muß, im Wesentlichen die diversen polyphonen Strategien Nancarrows, und Tenney stellt zu Recht fest, daß schon in der Study No.1 „viele der für Nancarrows Musik charakteristischen Prozesse: das Neben- und Übereinander verschiedener Metren und Tempi" [2] zu finden sind.

Auch mein persönliches Ohrenmerk richtete sich naturgemäß zunächst nur auf dieses eben ‚ohrenfällige’ Phänomen. Und als ich 1999/2000 dem hartnäckigen Drängen von Jürgen Hocker [3], der in den Konzerten der Kölner Triennale 2000 ganz neue Stücke für Player-Piano [4] neben Nancarrows Musik präsentieren wollte, nachgab und selbst erstmals das Player-Piano kompositorisch nutzte, spielten dabei für mich zwar auch kontrapunktische Aspekte des zeitlichen Verlaufes eine Rolle - der auf Bach verweisende Titel „Inventionen" deutet es an -, aber im Zentrum meines Interesses standen harmonische Fragen (jede der drei „Inventionen" hat ein eigenes in sich geschlossenes harmonisches Gesicht [5]). Nur durch diese Gewichtung war es mir gelungen, meine Bedenken zu überwinden, nach Nancarrow selber einmal das selbstspielende Klavier kompositorisch einzusetzen, schien mir doch das Universum seiner „Studies" nahezu alle Möglichkeiten durchmessen zu haben.

Daß aber neben der ungemein ausgefeilten Organisation der zeitlichen Abläufe auch die Organisation der Töne bei Nancarrow nicht allein intuitiv gelöst ist, sondern oftmals in hohem Maße strukturiert ist und damit jede einzelne „Study“ ihre ganz eigene harmonische Physiognomie hat, das bemerkte ich erst später beim genaueren Studium der Noten.

Bei der eingehenderen Analyse einiger „Studies" (es ist mir ein äußerst anregender Zeitvertreib und intellektueller Lustgewinn geworden) habe ich kürzlich Entdeckungen gemacht, die in den mir bisher zugänglichen Schriften über Nancarrow weitestgehend unberücksichtigt bleiben. Von einigen dieser Entdeckungen soll nun im Folgenden die Rede sein. Ich werde zudem ein paar Seitenblicke auf György Ligeti werfen, in dessen Klavieretüden deutliche, auch von ihm selbst eingestandene Spuren [6] von Nancarrows Musik zu finden sind.

 

II   (Exposition)

 

Ende der vierziger Jahre begann die fast ausschließliche Arbeit Nancarrows für das Selbstspielklavier mit der eben schon erwähnten „Study No. 1“. Es war nicht allein der ‚objektive’ Klangcharakter des mechanischen Klaviers, der Nancarrow angezogen haben mag, sondern es war wohl vielmehr die leidvolle Erfahrung bei den Aufführungen seiner früheren rein instrumentalen Werke, die wegen ihrer rhythmischen Schwierigkeiten die ausführenden Musiker offensichtlich schlichtweg überforderten, so daß ein „Septett“, das 1949, kurz vor Nancarrows Übersiedlung nach Mexico, in New York gespielt wurde, trotz der Beteiligung von Spitzen-Interpreten in einem „Desaster“, wie er es selber empfand, endete.

In den ersten „Studies“ mit ihren Anklängen an Jazz, Blues, Ragtime und spanisches Kolorit vernimmt man noch sehr deutlich die musikalische Herkunft Nancarrows, der als junger Mann Jazz-Trompete spielte. Zwar werden beispielsweise in der schon fast legendären Boogie-Woogie-Suite der „Studies No. 3a – 3e“ die Jazz-Modelle in mehreren Schichten und metrisch unabhängig bis in aberwitzige Tempi getürmt, so daß der Eindruck eines vieltonalen „Turbo-Boogie-Woogies“ entsteht, jede Schicht ist für sich genommen aber in fast herkömmlicher und vertrauter Jazz-Harmonik und -Gestik gehalten. Bemerkenswert an der formalen Gesamtanlage der fünf Sätze ist ihre bogenförmige tonale Zentrierung: sie stehen in den Tonarten C, F, C, G, C und erinnern somit an eine Kadenz: Tonika – Subdominante – Tonika – Dominante – Tonika, die gleichzeitig das sich ständig wiederholende funktionale Gerüst des ostinaten Boogie-Woogie-Basses sowohl des eröffnenden ersten als auch des abschließenden fünften Satzes der „Studies No. 3“ ist. Die harmonische Kleinform wird also auf die Großform übertragen.

Fast alle der frühen „Studies“ von Nancarrow kennzeichnet eine zwar freitonale, aber dennoch an ‚klassischem’ Dreiklangs-Denken orientierte harmonische Sprache. Die Linienführung ist oftmals modal gehalten, und Dreiklänge – meist in enger Lage – werden entweder wie eine Mixtur behandelt oder dienen der akustischen Verstärkung von metrischen Schwerpunkten, sind also ebenfalls eher als Farbwert, denn funktional gedacht. Typisches Merkmal der frühen „Studies“ ist zudem die häufige Verwendung von Ostinati, ein kompositorisches Stilmittel, das nach dem Ende der spätromantischen Tonalität in den 20er und 30er Jahren nicht nur im Jazz, sondern auch bei Strawinsky, Hindemith und Bartók in diversen Gestalten wieder auftauchte.

Eine verblüffende Ähnlichkeit zu dieser Art Textur bei Nancarrow (ostinater Baß mit Allusionen tonaler Funktionalität und darüberliegenden freien, jazz-ähnlichen Figurationen) ist erstmals – wie ich finde – in Ligetis „Hungarian Rock“ für Cembalo aus dem Jahre 1978 zu erkennen, hier natürlich trotz metrischen Komplexitäten beschränkt auf das von Menschenhand noch Realisierbare. Zu diesem Zeitpunkt (1978) wird Ligeti die Musik Nancarrows noch nicht gekannt haben. Umso erstaunlicher ist diese Verwandtschaft, die aber natürlich die spätere Begeisterung Ligetis für die „Studies“ erklärt.

Eine sehr eigenständige und dennoch an Bartók und damit an die eigene geographischen Herkunft sich anlehnende Art Ostinato finden wir auch im zweiten Satz des Horntrios von Ligeti, jenem Stück, mit dem er die Musikwelt 1982 überraschte, war mit diesem Stück doch der entscheidende Schritt weg von der für Ligeti zuvor so typischen, clusterhaften Klangflächen-Technik geschehen. Eine Harmonik, die – ähnlich wie bei Nancarrow – wieder eine Mischform aus Diatonik und Chromatik ist, und eine elastische Poly-Rhythmik, die wieder metrische Schwerpunkte fühlen läßt und nicht mehr in vielfacher Schichtung einen metrischen ‚Grauwert’ erzeugt, das sollte für Ligetis Klangsprache fortan und bis heute prägend werden.

Lassen Sie mich, bevor ich zu Nancarrow selbst zurückkehre, nun zunächst an einer der Klavieretüden Ligetis beispielhaft die Nähe zu den schon angesprochenen Techniken Nancarrows im Umgang mit Harmonik und den bei ihm latent gegenwärtigen „verdeckten Spuren tonalen Denkens“, wie ich es nennen möchte, aufzeigen.

 

III   (Variation/Double)

 

Um es besonders plastisch werden zu lassen, möchte ich mich besagter Klavieretüde auf einem kleinen Umweg nähern. Hören Sie zunächst eine Folge von Akkordverbindungen:

 

 

Dies waren vier Phrasen von jeweils vier Dur-Dreiklängen, die meist in einem dominantischen oder mediantischen Verhältnis zueinander stehen; es folgten vier Akkordverbindungen von Moll-Dreiklängen, wobei die letzte Folge nicht mehr aus vier, sondern aus sechs Dreiklängen bestand. -  Das klang nach einem historisch schwer einortbaren Choralsatz, aber er hatte eine klare Perioden-, bzw. Phrasen-Bildung.

Nun das Gleiche noch einmal, allerdings ohne Tonverdopplungen. Durch geänderte Lagenverteilung fällt der Grundton des jeweiligen Dreiklangs zudem nur noch selten in den Baß; und ich spiele das Ganze metrisch nicht mehr in gleichmäßig schreitendem Tempo. Aber wohl bemerkt: es handelt sich um die gleiche Dreiklangsfolge.

 

 

Kommt Ihnen das schon bekannter vor? – Es fehlt in der Tat nur noch ganz wenig, und schon sind wir bei Ligetis Étude Nr. 4 „Fanfares“ angekommen.

Wenn wir das Ostinato des eben erwähnten zweiten Satzes des Horntrios nehmen, welches dort im Rhythmus 3 + 3 + 2 Achteln erscheint, und es lediglich in der Setzung der Schwerpunkte zu 3 + 2 + 3 Achteln ändern und unter die eben gehörten Dreiklangsfolgen legen, dabei die Notation teilweise enharmonisch verwechseln, so haben wir exakt den Beginn der Étude Nr. 4:

 

            Klangbeispiel: Ligeti, Ètude 4

 

Nun geht das Alles natürlich in einem bedeutend schnellerem Tempo, als ich es Ihnen soeben vorführte. Es ist die rasante Geschwindigkeit, die das Ohr von dieser harmonischen Gegebenheit ablenkt. Aber es ist eine sehr ähnliche Art der Nutzung von (in diesem Fall) zunächst reinen Dreiklängen auf rhythmischen Schwerpunkten, wie sie bei Nancarrow zu beobachten ist. Wie in einem schnell sich drehenden Prisma springen diese reinen Dreiklänge bizarr hin und her und addieren sich so zu einer Allgegenwärtigkeit verschiedener Tonalitäten. Es ist ein äußerst raffinierter Kunstkniff, mit dem Ligeti hier geradezu augenzwinkernd etwas Vertrautem eine ganz neue Gestalt gibt. Es ist aber noch etwas Anderes, das ebenfalls an Nancarrow denken läßt, nämlich die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Metren, wie sie in vielen der Etüden zu finden ist: während das Ostinato eine feste Periodenlänge von 8 Achteln hat, schwanken die darüberliegenden Phrasen der ‚schrägen’ Hornquinten in einer Länge von zunächst 13 oder 14 Achteln.  Ich sollte vielleicht noch erwähnen, daß das Ostinato metrisch zwar dreigeteilt, tonal aber gleichzeitig nur zweigeteilt ist: den ersten vier Tönen der C-Dur Skala folgen die ersten vier der Fis-Dur Skala. Also auch hier ist schon eine versteckte Gleichzeitigkeit  von Verschiedenem vorhanden.

Es wäre verführerisch, jetzt noch den Prozeß der gleitenden Veränderungen bei der Harmonik der Dreiklangsfolgen auf den metrischen Schwerpunkten des Ostinatos genauer zu verfolgen, denn auf höchst spannende Art erweitert Ligeti die anfänglich klare Ordnung (zunächst vier Phrasen Dur-Klänge, dann vier Phrasen Moll-Klänge und dies gekoppelt mit einer Kreuzung der Stimmen beim tonalen Geschlechtswechsel), indem die Phrasen der „Fanfaren-Motive“ teilweise länger, zudem mit Septakkorden oder verminderten Dreiklängen angereichert werden und sich schließlich in lineare Figurationen auflösen. Es ist ein Prozeß zunehmender Komplexität.

Ich verzichte an dieser Stelle auf eine weitergehende Analyse, erwähne es aber deshalb, weil Ähnliches immer wieder bei Nancarrows „Studies“ zu beobachten ist, und dies nicht nur bei den frühen: er beginnt mit einer Allusion tonaler und fast funktionaler harmonischer wie melodischer Modelle, die sich dann in freierer, aber davon abgeleiteter Gestalt weiterentwickeln.

 

IV   (Durchführung)

 

Aus den früheren Ostinato-Studies Nancarrows ragt die No. 5 eindeutig heraus. Und sie ist trotz ihres abstrakteren Stils, der schon auf die späteren „Studies“ verweist, ein beredtes Beispiel für Nancarrows Gespür für emotionale Wirkung! (Beim ersten Hören dieser „Study“ mußte ich unwillkürlich an Ravels „Bolero“ denken.) Gleichzeitig zeigt sie auf verblüffende Art, wie bei ihm funktionales, diatonisches und chromatisches Denken höchst raffiniert verschränkt sind.

Diese „Study“ gehört zu jenen, deren Verlauf einem stringenten Prozeß unterliegen, also einem Höchstmaß an kompositorischer Planung unterworfen sind, wie es etwa auch beim berühmten Canon X („Study No. 21“) der Fall ist, auf den ich später noch zu sprechen komme. Und diese „Study“  spielt mit den Grenzen der Wahrnehmungsschwelle.

In der No. 5 schichtet Nancarrow zwölf (bzw. 13) harmonisch und rhythmisch unabhängige Ebenen, die nach und nach einsetzen, und schafft in der Addition damit ein beeindruckendes polytonales Klanggebäude. Zunächst setzen zwei ostinate Ebenen gleichzeitig ein, die untere mit kraftvollen Baßschritten in Oktaven wiederholt permanent eine C-Dur Kadenz, die zweite – ebenfalls in Oktaven gesetzt – ist eine aufsteigende pentatonische Skala in H-Dur, mit Fis einsetzend. Die Phasenlängen betragen 98 und 77 Sechzehntel, so daß im Verlaufe der knapp drei Minuten, die das Stück dauert, der Beginn beider Perioden trotz eines ungefähren Verhältnisses von 5:7 (was der Tritonus-Spannung der Anfangstöne C und Fis entspricht) nie wieder zusammenfällt. Dennoch empfindet man beide Schichten als zusammengehörig; daß es ein von Nancarrow sogar selbst geliefertes Argument dafür gibt, beide Schichten als „Resultante“ [7], wie Tenney es nennt, aufzufassen, davon später.

(Es ist übrigens ein denkwürdiger Zufall, daß die beiden Initialtöne C und Fis auch exakt der tonalen Zweiteilung des Ostinatos in Ligetis 4. Klavieretüde entsprechen!)

Auf dieses doppelte Grund-Ostinato setzen nun nach und nach fünf weitere Schichten ein, jeweils schnelle symmetrisch ab- und wieder aufsteigende Arpeggio-Arabesken. Die erste Figur mit einer Länge von 11 Sechzehnteln steht in b-moll mit phrygischer Sekunde, die zweite mit einer Länge von 7 Sechzehnteln klingt nach einem alterierten Dominantseptakkord auf F, die dritte (13 Sechzehntel lang) besteht aus einem G-Dur Dreiklang und einer viertönigen Ganztonskala von E abwärts, die vierte ist eine diatonische Skala innerhalb eines gedachten B-Dur Septakkordes mit einer Länge von 9 Sechzehntel und die fünfte ist eine fast vollständige a-moll Tonleiter (wieder mit phrygischer Sekunde) mit einer Länge von 15 Sechzehnteln. Bei diesen fünf Schichten werden die Perioden ihrer Wiederholung durch Verkürzung der zwischenliegenden Pausenwerte kontinuierlich verkürzt.

Nun folgen in der zunehmenden Addition zwei gestisch sehr prägnante Schichten. Zunächst ein fanfarenartiges Motiv mit sieben gleichmäßigen, trompetenhaften Dreiklangsstößen, wobei die drei benutzten Dreiklänge F-Dur, A-Dur und As-Dur in mediantischem Bezug zueinander stehen. Dieses Motiv erscheint alternierend in zwei Gestalten, jeweils quasi gespiegelt. Es folgt eine aperiodische, chromatisch fallende Figur im Quintrahmen der Töne F und C. Diese beiden Schichten behalten ihre Einsatzabstände konstant bei; die Phasenlängen betragen 51 (21{Dauer der Figur} + 30 {dazwischenliegender Pausenwert}) und 66 (35 + 31) Sechzehntel.

Auch die weiteren vier Schichten, die nun noch hinzukommen, haben jeweils konstante Phasenlängen. Zunächst im tiefen Register zwei sich abwechselnde Doppelquintklänge auf Des und Ges (womit wieder einmal ein Tonika-Dominant-Verhältnis suggeriert wird), deren Wiederholungsabstand 22 (11 + 11) Sechzehntel beträgt, dann im Diskant die über die Oktave gespreizte Moll-Terz B – Des, die im Abstand von 17 Sechzehnteln erscheint. Es folgt, wieder im tiefsten Baß die Quinte H – Fis, sie erklingt alle 13 Sechzehntel; und zuguterletzt kommt noch im allerhöchsten Register der Dreiklang E-Fis-A  mit einem Wiederholungsabstand von 19 Sechzehnteln hinzu.

Jede der Schichten hat also ihre eigene ganz tonale Zentrierung, in der sie konstant verharrt. Durch die komplexen Verhältnisse der unterschiedlichen Phasenlängen der einzelnen Schichten – sie entstehen durch die Bevorzugung ungerader Dauernwerte – erscheint aber das stets Gleiche in immer wieder neuen Kombinationen und durch die zunehmende Addition, bzw Accelleration der fünf Arpeggio-Schichten entsteht gleitend eine Gesamt-Textur, die sich zu einer Art „weißem Rauschen“ verdichtet.

Das wirklich Geniale dieser „Study“ ist ihre Tonhöhenorganisation! Jede der Schichten nutzt einen beschränkten Tonvorrat (es sind der Reihe nach 15 + 11 / 6, 4, 7, 5, 8 / 7, 8 / 6, 2, 2, und 3 Töne), und Nancarrow hat dies so strukturiert, daß jeder Ton der gesamten Klaviatur genutzt, dabei aber nur jeweils in einer Schicht verwendet wird – es fehlen lediglich die beiden tiefsten und drei höchsten Töne, die beim Player-Piano nicht spielbar sind, da diese Tonspuren der Papierrolle für die Steuerung der Dynamik und des Pedals belegt sind. Es erklingen also tatsächlich am Ende alle 83 möglichen Töne quasi gleichzeitig als chromatische Totale [8]. Einzige Ausnahme ist das H unterhalb des mittleren C, das sowohl als Leitton in der ostinaten C-Dur Kadenz und in der pentatonischen Skala als Grundton vorkommt, so daß mit dieser Verknüpfung praktisch eine „komponierte“ Legitimation gegeben ist, diese beiden Ostinato-Schichten, wie oben schon angedeutet, als eine Einheit aufzufassen.

 

 

V   (Intermezzo)

 

Reine Dur-Dreiklänge in enger Lage und jazz-ähnliche Texturen tauchen, nachdem Nancarrow in den mittleren „Studies“ oftmals Sept- oder Nonenakkorde, sowie noch komplexere Misch-Akkorde und ohnehin abstraktere musikalische Aggregat-Zustände verwendet, wieder in den letzteren „Studies“ auf, etwa in den  No. 41a–c. Hier werden sie allerdings eigentlich ausschließlich wie Mixturklänge eingesetzt, und versteckt funktionales Denken verschwindet hier zugunsten eines fast improvisatorischen Tonfalls. Ein gestisch freies Parlando mit zahllosen rasanten Glissando-Einwürfen kennzeichnet diese „Studies“.

Aber ich möchte noch eine kleine Auswahl an Beispielen bringen, bei denen die Schatten des „verdeckt tonalen und funktionalen Denkens“ auch dort zu spüren sind, wo es auf den ersten Blick (oder beim ersten Hören) nicht so offensichtlich ist, wie bei den zuvor erläuterten Fällen. Dabei möchte ich die rhythmisch-metrischen Aspekte einmal ausklammern, so faszinierend diese auch jeweils sind.

 

Die fünftönigen Staccato-Akkorde, die als Wiederholungssequenz einer 15 Werte umfassenden Dauernserie die „Study No. 11 eröffnen, haben als unterstes konstitutives Binnen-Intervall durchwegs die Quinte, und die ersten fünf Klänge lassen sich eindeutig als eine Kadenzbildung T – tG – S – D – T in C-Dur lesen. Auch der weitere modulatorische Verlauf ließe sich funktional erklären, er mündet in einer Art Schlusswendung (S – D) zur ersten Wiederholung dieser Dauernserie, die nun mit einem F7-Akkord (also subdominantisch zum anfänglichen C7-Dur) beginnt. Während die Dauernserie unverändert 16mal im ersten Abschnitt des Stückes erscheint, wird der Kreis der pseudo-tonalen Funktionen permanent leicht variiert.

 

Auch in der „Study No. 14“ (Canon – 4/5) bestimmt die Quinte das harmonische Geschehen, sie ist nämlich die Distanz der beiden metrisch zwar selbständigen, aber vom Text identischen Schichten: die untere langsamere, aus zwei Linien bestehende Schicht steht in der Tonalität E, die später einsetzende hohe steht in einer H-Tonalität.

Dies erinnert eindeutig an die Dux- und Comes-Situation der alten Fugentechnik.

 

Bei der „Study No. 18“ (Canon – 3/4) findet man zu Beginn die Allusion einer Quintfall-Sequenz ausgehend von A-Dur.

 

Auf eine äußerst spannende und ungewöhnliche Art nutzt Nancarrow den reinen Dur- (bzw. Moll-) Dreiklang in der „Study No. 24“ (Canon – 14/15/16). Die drei Stimmen dieses Canons stehen in einem jeweils über die Oktaven gespreizten Dreiklangs-Abstand. Sie beginnen gleichzeitig, bedingt aber durch die ganz nah beieinander liegenden Temporelationen der drei Stimmen zueinander entstehen aufregende Interferrenzen des zeitlichen Ablaufes: der anfänglich vertikale Dreiklangs-Abstand der Stimmen verrutscht also immer mehr in horizontale Richtung. In der Mitte des ersten Abschnittes kehrt sich dieser Prozeß wieder um, indem die beiden äußeren Stimmen ihre Temporelationen (16/14) austauschen, während die mittlere in ihrer (15) verharrt. Damit nähert sich der ‚virtuelle’ Dreiklang im Abstand der drei Stimmen wieder, bis er am Ende im vertikalen Zusammenklang wieder übereinandersteht. Dieses Prinzip gradueller Phasenverschiebung bleibt konstitutiv für das ganze Stück.

Aber nicht nur der Abstand der drei Stimmen ist „tonal“, sondern auch jede Linie für sich umspielt permanent tonale Zentren. Die oberste beginnt in A-Dur und führt gleich weiter zur Dominante E, die mittlere startet dementsprechend in Fis-Dur, die untere in D-Dur.

Beim zweiten Abschnitt des Stückes, der im Kontrast zur weichen Melodieführung des ersten von kurzen prägnanten Staccato-Motiven geprägt ist, ist nun der Abstand der drei Stimmen ein gespreizter Moll-Dreiklang. Er beginnt mit h-moll, was die Moll-Parallele zum D-Dur am Beginn des Stückes ist. Auch dieses harmonische Beziehungsverhältnis zweier kontrastierender musikalischer Gedanken kennen wir aus der Tradition!

 

Und noch ein Beispiel für die denkwürdigen unterirdischen Bezugslinien zur Tradition tonalen Denkens. Beim geradezu enigmatischen Canon 1/1 („Study No. 26“), bei dem die insgesamt sieben, immer in Oktaven und gleichförmig in ganzen Notenwerten schreitenden Stimmen mit einer fünftönigen Sequenz beginnen, ist – wie ich finde – eine verblüffende Ähnlichkeit zu den ersten fünf Tönen des Themas aus dem „Musikalischen Opfer“ von Bach gegeben. Nancarrow beginnt mit dem Leitton H zum abwärts gerichteten C-Dur Dreiklang, dem der Mollterzton Es folgt; dies klingt wirklich fast wie Bach rückwärts! Auch die weitere Linienführung läßt Verwandtschaften erkennen: die bei Bach fallende chromatische Linie im Quintrahmen des Ausgangsdreiklangs wird bei Nancarrow zu einer schnabelförmig sich schließenden, chromatischen Ausfüllung des binnenliegenden Tonraumes.

 

 

Man kann nur darüber spekulieren, ob Nancarrow hier bewußt seiner Musik einen heimlichen Verweis auf Bach eingeschrieben hat. Es wäre nicht verwunderlich, bekannte Nancarrow doch, daß die wesentlichen Einflüsse bei ihm „die Musik Strawinskys und bis zu einem gewissen Grade diejenige Bartóks und natürlich die Musik Bachs gewesen sind.“ [9]

 

VI   (Reprise & Coda)

 

Eine „heimliche Botschaft“, die äußerst raffiniert versteckt wurde, glaube ich, im wohl berühmtesten Stück von Nancarrow, dem Canon X („Study No. 21“), gefunden zu haben. Davon nun zum Schluß.

Der Canon X gehört wie die „Study No. 5“ zu jenen Stücken, denen ein ausgeklügelter, strenger formaler Bauplan zugrunde liegt. Und trotz aller Strenge ist dieses außergewöhnliche Stück alles Andere als akademisch, so simpel die eigentliche kompositorische Idee zunächst erscheint. Das „X“ verweist symbolisch auf die gegenläufige Temporelation der beiden Stimmen: die eine im Baß beginnt in relativ langsamem Tempo, die andere wenig später im Diskant einsetzende beginnt in einem sehr schnellen Tempo. Im Verlauf des Stückes beschleunigt sich die eine Stimme permanent, während sich im Gegenzug die andere kontinuierlich verlangsamt, so daß sich beide Stimmen in der Mitte bei einem mittleren Tempo wie ein „X“ kreuzen. Nun ist das Stück aber eben nicht streng symmetrisch gebaut, sondern hat eine dynamische Komponente, die aus verschiedenen Faktoren gespeist ist. Zum einen beginnen nicht beide Stimmen gleichzeitig, aber sie hören gleichzeitig auf! Zum andren klaffen die Proportionen zu Beginn und am Ende weit auseinander: am Anfang ist das Verhältnis beider Stimmen zueinander 1 : 11 (bei etwa 3,5 Tönen pro Sekunde bei der langsamen Stimme), am Ende haben wir ein Verhältnis von 98 : 1 (wobei sich die beschleunigende Stimme nun auf schier unglaubliche 111 Töne pro Sekunde gesteigert hat, während die andere sich auf etwa 2,3 Tönen pro Sekunde verlangsamt hat).

Zudem gibt es noch eine Art „Stringendo“ im Tonmaterial, denn neben der Strukturierung der Tempobeziehungen ist auch die Organisation der Tonhöhen sorgfältigst geplant: beide Stimmen basieren auf einer Reihe von zunächst 54 Tönen. Bei jedem weiteren Durchgang fällt der jeweilige Anfangston der sich somit stetig verkürzenden Reihe fort, so daß von dieser Reihe schließlich nur noch ein Ton (der letzte) übrig bleibt. Beim Tonmaterial beider Stimmen gibt es also keine Gegenläufigkeit: die andere kehrt diesen Prozeß der sukzessiven Verkürzung nicht um!

Nun ist das Stück aber nicht an dem Punkt zu Ende, wo sich beide Stimmen (sozusagen in der Phase) bei diesem letzten Ton der Reihe treffen – an diesem Punkt haben sie nur ihr gegenseitiges Tempoverhältnis vom Anfang (1 : 11) im Austausch wieder erreicht - : hier beginnt nun eine Art „Reprise“, „Coda“ oder „Stretta“, indem die inzwischen langsamere Stimme in mittlerweile fünffachen Oktaven [10] noch einmal die komplette Reihe spielt und zu den 54 Tönen am Ende sogar noch einen 55. Ton hinzufügt, während die inzwischen schnelle Stimme noch einmal den kompletten bisherigen Zyklus (54 + 53 + 52 ... 3 + 2 + 1) in sich weiter steigerndem Tempo durchläuft, und am Ende ebenfalls im Einklang mit der anderen Stimme den 55. Ton C anhängt [11].

Wenn man diese 54-Ton-Reihe einmal genauer untersucht, stellt man fest, daß sie enorm viele tonale und funktionale Momente hat. Sie beginnt mit einer fast klassischen dominantischen Wendung zu f-moll und nach einer Moll-Subdominante erscheint sofort der Geschlechtswechsel zu F-Dur. Über die Zwischendominante E-Dur moduliert sie weiter zu A-Dur, usw.

 

 

Diese Tonreihe ist wegen ihrer latent tonal-funktionalen Gestalt schon aufregend!, zeigt sie doch ein erneutes Mal, daß Nancarrow höchst eigenwillig tonale Denkstrukturen mit komplexen Strategien der Zeitplanung verbindet, ohne daß damit ein Widerspruch im Gesamtkontext entsteht, ja vielleicht sogar diese scheinbar rückwärts gerichtete tonale Strategie notwendig ist als Gegengewicht zur Komplexität der metrischen Organisation.

Vielleicht noch aufregender ist aber die versteckte, nicht wahrnehmbare Tonreihe dieser „Study No. 21, die sich nur über die genaueste Analyse erschließt! Nancarrow erwähnt sie eher beiläufig in der eigenen Beschreibung dieser „Study“ [12], und er bleibt dabei recht ungenau, verschweigt sogar das Wesentliche! Und niemand scheint sie sich bisher einmal genau angeschaut zu haben.

Diese Reihe (es ist die Reihe, die sich ergibt, wenn man die Transpositionen der Ausgangsreihe bei ihren jeweiligen Wiederholungen notiert) hat nämlich auf geradezu atemberaubende Weise eine dynamische Komponente der ganz besonderen Art!

Diese Transpositionsreihe – man erhält sie, wenn man den jeweils letzten Ton notiert (denn nur dieser bleibt ja nach dem 54. Durchlauf am Ende übrig) – beginnt zwar zunächst, wie Nancarrow selber sagt, als streng dodekaphonische Reihe, doch ließt man den weiteren Fortgang genau, so ergibt sich ein ganz verblüffendes Phänomen!: geradezu fließend findet ein Prozeß statt, der von einer an Webern erinnernden Reihen-Technik mit ihren chromatischen Sequenz- und Spiegelbildungen [13] ausgeht, der sich aber über zunehmende Abweichungen vom seriellen Denken – in der Mitte dieser Reihe hat sich die Chromatik schon zu einer ganztönigen (bzw. übermäßigen Dreiklangs-) Tonalität aufgeweicht – nach und nach zu einer ganz schlichten diatonischen Schlußkadenz wandelt.

 

 

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist zudem, daß Nancarrow auch die eigentliche Reihe bei ihrem letzten 55-tönigen Durchlauf in fünffachen Oktaven nach dem 50. Ton umbiegt zugunsten einer klaren Dominant-Tonika-Wendung, die zum Schlußton C führt.

 

 

Dies alles ist alles Andere als ein Zufall!

Bedenkt man die ungefähre Entstehungszeit des Canon X (Mitte der 60er Jahre, also die Zeit der „Hochblüte“ seriellen Denkens bei den europäischen Komponisten), so ist man sogar fast geneigt, zu vermuten, Nancarrow, der damals noch in völliger Isolation lebte, habe mit dieser versteckten Reihe eine heimliche Botschaft als ‚Flaschenpost’ an die ihn ignorierenden Komponisten-Kollegen gesandt: verlaßt das serielle Denken, kehrt zurück zur Tonalität!

Natürlich weiß ich, dies ist eine zwar verführerische, aber dennoch äußerst spekulative und ziemlich unwahrscheinliche Hypothese. Davon, daß diese ganz besondere, heimlich dem Canon X eingeschriebene Reihe aber dennoch für Nancarrow selbst bekenntnishaften Charakter bezüglich seiner eigenen Einstellung zur Tradition hat, davon bin ich zutiefst überzeugt!

Und ich darf zur Bestätigung meiner Überzeugung noch einmal eine andere ganz besondere Reihe in Erinnerung rufen, die 12-Ton-Reihe des „Violinkonzertes“ von Alban Berg. Auch sie hat bekenntnishaften Charakter. Ihr Prinzip, Zwölftondenken mit traditionellem Dreiklangsdenken zu verschmelzen ist nirgendwo sonst bei ihm so extrem ausgeprägt. Die Terzschichtung aus g-moll, D-Dur, a-moll, E-Dur, also Dreiklängen auf den leeren Saiten der in Quinten gestimmten Geige, und die sich zum Schluß öffnende Ganzton-Folge sind ebenso wie bei Nancarrows Reihe ein Zeugnis für die tiefe Verwurzelung des Komponisten in der Tradition  und gleichzeitig trotz dieser Bindung an Vergangenes eine „komponierte“ Option in die Zukunft.

 

Hören wir nun abschließend den immer wieder faszinierenden Canon X, dessen kompositorische Anlage fast bildlich den Punkt ausmacht, wo Vergangenes und Zukünftiges sich im Moment der Gegenwart treffen.

 

 

 

© 2001  Michael Denhoff      

 

 

 

 

 

 



[1] James Tenney, Conlon Nancarrow’s Studies for Player Piano, in: Melos 4/1984, S. 123 – 136

(erschien unter gleichem Titel erstmals in Soundings, Band 4, Berkeley 1977)

 

[2] ebda., S. 123

 

[3] Jürgen Hocker ist seit Mitte der 80er Jahre so etwas wie der europäische „Sachwalter“ in Sachen Nancarrow geworden,

nachdem er einen Ampico-Flügel für die Aufführungen der Studies restaurieren ließ und seitdem in unermüdlichem Enthusiasmus

(auch als Vorsitzender der Gesellschaft für mechanische Instrumente) die Studies für Player Piano in vielen Städten Europas präsentiert hat.

 

[4] In den drei Konzerten am 17., 24. und 31. Mai 2000 im „Museum für Angewandte Kunst“ wurden neben Nancarrows Studies

Uraufführungen von Kiyoshi Furukawa, Daniele Lombardi, Gerhard Stäbler, Michael Denhoff, Krzysztof Meyer, Steffen Schleiermacher,

Daniel N. Seel, Georg Kröll, Wolfgang Heisig, Georg Hajdu, und Marc-André Hamelin auf dem Player Piano gespielt.

 

[5] siehe hierzu den Einführungstext im Programmheft zu den Konzerten der Kölner Triennale 2000, S. 23 – 25.

(Nachzulesen auch unter: www.denhoff.de/werkkommentare.htm#op88 )

 

[6] Ligeti zu seinen Klavieretüden in Zeitschrift für Musikpädagogik 37 (1986), S. 8: “Diese ganze Sphäre Schumann – Chopin,

dann ethnische Kulturen wie kommerzielle Folklore aus Lateinamerika, genuin afrikanische ethnische Musik, und Nancarrow,

das alles ist irgendwie amalgamiert und zu etwas ganz anderem geformt.”

 

[7] Als Resultante bezeichnet James Tenney eine aus der Kombination von zwei (oder mehr) rhythmisch unabhängigen Stimmen

gebildete Schicht, die in der Wahrnehmung zu einer Einheit verschmelzen.

 

[8] Erst während der Ausarbeitung  dieses Vortrags wurde mir das Buch “The music of Conlon Nancarrow” von Kyle Gann

(Cambridge University Press, 1996) zugänglich. Ich mußte dabei feststellen, daß er doch schon vor mir diese aufregende Entdeckung

gemacht hat. Ansonsten habe ich dies in anderen Aufsätzen zu Nancarrow nirgends vermerkt gefunden.

 

[9] in: “New Musical Resources”

 

[10] Die nach und nach stattfindende Oktavierung der sich verlangsamenden Stimme bis hin zu fünffachen Oktaven wurde von Nancarrow

erst nach dem ersten Abhören der Rolle vorgenommen, da ohne diesen Klang-verstärkenden Eingriff diese Stimme sonst gegen die sich zu

Klangwolken addierende, rasent schnelle Stimme nicht mehr zu hören gewesen wäre.

 

[11] Mir scheint es nicht unwichtig, diesen 55. Ton (von dem bisher niemand sprach) zu erwähnen, da dieser letzte Durchgang der Reihe

‘logischer’ Weise einen Ton mehr haben muß.

 

[12] Conlon Nancarrow: “Not obvious is the fact that the piece is carefully organized with respect to pitch, as well as time.

Each voice is based on a serie of melodic cycle of 54 tones. In each succeeding pass through this cycle, the initial tone of  the

proceding pass is omitted, leaving successively 53, 52, 51, …3, 2, 1, elements of the original series. In addition, this series is transposed,

on each new pass, according to a group of  four 12-tone sets” . (Ich erhielt Nancarrows Werkbeschreibung über Jürgen Hocker.)

 

[13] Ich denke da vor allem an die 12-Ton-Reihe des Streichquartetts op. 28, deren melodische Substanz ja strenggenommen nur

aus den vier Tönen B-A-C-H besteht! Interessanterweise ist der “Tonfall” B-A-C-H ja auch latent (wenngleich intervallisch nicht wörtlich)

am Beginn dieser Transpositionsreihe vorhanden.

 

 

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