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Über den Wandel im Bonner Kulturleben

(Vortag beim Rotary-Meeting am 13. Januar 2015)

 

Wenn ich im Folgenden über das Bonner Kulturleben spreche, über das, was sich in den vergangenen Jahren verändert hat, so muß ich selbstverständlich vorausschicken, daß dies nicht ein objektiver Bericht anhand von Fakten und Zahlen sein kann, dies würde eine längere Recherche erfordern, sondern mehr aus persönlichen  Beobachtungen als „zugereister“ Bonner über die Jahre hinweg gespeist ist.

Meine erste Begegnung mit dem städtischen Kulturleben in Bonn fand Ende der 60er Jahre statt, als ich meine Großeltern besuchte, die nach Ende der Berufstätigkeit meines Großvaters bei der Union Kraftstoff in Wesseling in die Bonner Kaiserstraße gezogen waren. Bei diesem Besuch zum Jahreswechsel schleppte mich mein Opa mit in die Beethovenhalle ins Jahresabschlußkonzert des städtischen Orchesters und des Philharmonischen Chores, dessen singendes Mitglied er seit Jahren war, wo Beethovens Neunte unter dem damaligen GMD Volker Wangenheim gegeben wurde. Ich erinnere mich nicht mehr an das künstlerische Niveau dieser Aufführung, aber ich war schwer beeindruckt von der Architektur der noch recht jungen Halle, ihrer kühnen akustischen Deckenkonstruktion, die angeblich allerorten gelobt wurde, wie mir mein Opa versicherte, und nicht minder staunte ich darüber, daß es ihm gelang, seinen musikalisch durchaus neugierigen Enkel nach dem Konzert ins Künstlerzimmer des Dirigenten zu lotsen, um sich dort ein Autogramm ins Programmheft abzuholen.

 

Orchester, Chor und Halle gibt es heute, Anfang 2015, immer noch, aber die Halle ist ins Gerede gekommen, als heute den künstlerischen Ansprüchen nicht mehr genügend, als muffiges Denkmal der untergegangenen BRD. Auch das Orchester wird von manchem Bonner Bürger in Zeiten knapper Kassen zur Disposition gestellt (wie jüngst wieder bei der Online-Bürgerbefragung), wenn auch eine eigene Oper neben der in Köln als verzichtbar eingestuft wird.

Aber dazu später.

Von meinem Opa bekam ich auch bald darauf das Programmheft des Beethovenfestes 1970 in die Hand gedrückt, und in der Erinnerung sah das für mich weitaus spannender und aufregender aus, als – sagen wir z.B. – das des gerade vergangenen Jahres 2014.

Das dreiteilige Beethovenfest 1970 versammelte zum 200. Geburtstag die Weltelite der Orchester, Dirigenten und Sänger in die damalige Bundeshauptstadt, unter ihnen Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern, die Wiener Philharmoniker mit Karl Böhm, die Pianisten Claudio Arrau, Arturo Benedetti Michelangeli, Emil Gilels, Friedrich Gulda und Nathan Milstein, um nur einige wichtige Namen zu nennen. Zudem gab es spektakuläre Uraufführungen u.a. von Stockhausen, Xenakis und Kagel (seinerzeit noch Heroen des ganz jungen aufstrebenden Komponisten M.D.).

Aus einem kleinstädtischen Umfeld kommend mit einem örtlichen Konzertangebot von gerade einmal 6 Schloßkonzerten im Jahr, die mein Vater in Ahaus organisierte, hatte ich das Gefühl, Bonn ist durchaus eine weltstädtische Musik-Metropole.

 

1973 zog ich selbst ins Rheinland, um in Köln mein Musikstudium zu beginnen und bemerkte natürlich, daß für mein besonderes musikalisches Interessenfeld Köln die wohl noch interessantere Stadt war. Aber da ich als Student zwischen Köln und Bonn wohnte, besuchte ich immer wieder auch Konzerte in Bonn, nicht zuletzt die sog. „Tage der Neuen Musik“, die es hier in Bonn seinerzeit noch gab, wo es dem künstlerischen Spiritus Rector Josef Anton Riedl gelang, in direkter Nachbarschaft zur selbsterklärten Metropole der Neuen Musik Köln ein hochinteressantes Festival zu etablieren, das in der Wahrnehmung weit über die Stadt Bonn hinausstrahlte.

Nun wohne ich (mit einigen Unterbrechungen) seit 1982 in Bonn und habe dadurch alle Höhen und Tiefen des Bonner Kulturlebens mehr oder weniger hautnah mitbekommen.

Besagte „Tage der Neuen Musik“ wurden dann irgendwann in den 80er Jahren mit den mittlerweile als Pendant auch eingerichteten „Tagen der alten Musik“ zum sog. „Bonner Herbst“ zusammengeführt. Diese ca. einwöchige Veranstaltungsfolge brachte für drei Ausgaben durchaus spannende Begegnungen zwischen alter und neuer Musik, um danach sang- und klanglos aus dem Bonner Konzertangebot zu verschwinden.

 

Auch das Beethovenfest erlebte eine wechselvolle  Geschichte. In den 80er Jahren ging es erst einmal bergab mit dem Festival. Die Gegenüberstellung der Werke des großen Klassikers mit denen der Avantgarde, wie sie der damalige GMD Dennis Russell Davies ins Programm setzte, akzeptierte das Publikum weit weniger als die Presse. Es waren in aufeinanderfolgenden Festivals u.a. solche Größen wie Olivier Messiaen und Luciano Berio als „Kontrapunkte“ zu Beethoven eingeladen. Aber die Besucherzahlen schrumpften. Nur 1989, zur 2000-Jahrfeier der Stadt, verzeichnete das 33. Bonner Beethovenfest dann noch einmal einen großen Publikumserfolg, war doch kein Geringerer als der charismatische Leonard Bernstein sowohl als Dirigent als auch als Komponist eingeladen. Da Bernstein bei der Aufführung aller Beethoven-Sinfonien selbst am Dirigentenpult stand, gingen die Karten weg wie die oft zitierten „warmen Semmeln“. Eine Andy-Warhol-Ausstellung mit Beethoven-Porträts des amerikanischen Künstlers begleitete das Jubiläums-Festival, das laut Veranstalter 30.000 Besucher anlockte.

Dieser große Publikumserfolg war den zu der Zeit alle drei Jahre stattfindenden Beethovenfesten zunächst nicht mehr beschieden. Die städtischen Subventionen waren Anfang der 90er Jahre in einen marginalen Bereich geschrumpft. 1993 beschloß der Rat der Stadt, die Zuschüsse für das Beethovenfest ganz zu streichen. Ermüdet von den Vorwürfen seiner Gegner, den Publikumsschwund verursacht zu haben, warf 1995 zudem Dennis Russell Davies das Handtuch und das Beethovenfest stand damit vor dem vorläufigen Aus, und dies zum 225. Geburtstag des Komponisten 1995!

Es entwickelte sich aus Protest eine Initiative rühriger Bonner Bürger, die den Verein „Bürger für Beethoven“ (auch diesen gibt es noch heute) unter Federführung des Ministeralbeamten Dr. Barthold Witte gründete, die nun anstelle des ausfallenden Beethovenfestes einen anfangs eher belächelten jährlichen „Beethoven-Marathon“ an verschieden Plätzen im Bonner Stadtgebiet organisierten. Auch wenn in der Selbsteinschätzung dieser Bürger die Marathons zum Ereignis wurden, hatten diese jedoch einen eher kleinstädtischen Zuschnitt, rekrutierte man die auftretenden Künstler nämlich vornehmlich aus den regional ansässigen Musikern. Internationale Namen fehlten.

Die Unterstützung aus der Bürgerschaft war aber so überwältigend, daß sich der Rat der Stadt zur Wiederbelebung der Beethovenfeste entschloß und 1998 gemeinsam mit der Deutschen Welle die Internationale Beethovenfeste Bonn GmbH als Trägergesellschaft und Veranstalter für ein jährlich stattfindendes Beethovenfest gründete. Festivalintendant war zunächst für fünf Jahre (1999 – 2003) Franz Willnauer und danach bis 2013 Ilona Schmiel, die wir mit ihrer Eloquenz ja auch schon in unserem Club erleben konnten.

 

Scheint das Beethovenfest also seit nunmehr 14 Jahren wieder ein fester Bestandteil des hiesigen jährlichen Konzertangebotes zu sein, mit einer Dauer von etwa einem Monat, so muß doch festgestellt werden, daß bisher nicht das gelang, was seinerzeit die OB Bärbel Dieckmann sich erhoffte, als man sich entschloß, das Fest unter neuen Voraussetzungen wieder zu starten: „Man muß sagen, daß das Bonner Internationale Beethovenfest noch nicht so fest im Terminkalender ist wie vielleicht Salzburg oder Bayreuth. Unsere Zielvorstellung ist, daß, wenn man sagt, ich fahre nach Bonn, daß dann vielleicht der andere sagt: Ach hast du Karten fürs Beethovenfest bekommen?“

Die Zielvorgabe Bayreuth oder Salzburg war und ist bis heute auch immer wieder Argument für diejenigen, die sich seit der Initiative der mittlerweile verstorbenen Karen Hempel-Soos ein neues „Festspielhaus“ für Bonn wünschen und mit allen Mitteln die Werbetrommel dafür rühren. Von der „Marke Beethoven“ (und nicht vom Komponisten Beethoven) ist dann auch die Rede, dem Alleinstellungsmerkmal der Stadt Bonn, die mit diesem Namen wuchern müßte. Ohne Zweifel wird Beethoven in der internationalen Musikwelt als ein nicht minder wichtiger Tonsetzer wahrgenommen wie Mozart (für Salzburg) oder Wagner (für Bayreuth), dennoch gibt es einen wesentlichen und aus meiner Sicht entscheidenden Unterschied bei diesen Vergleichen: Beethoven hat nur eine Oper (Fidelio) komponiert, Mozart hingegen rund 20 und Wagner 11 (wenn man die frühen, selten gespielten unberücksichtigt läßt). Das überregional reisende Musik-Publikum ist nämlich ein Opern- und kein normales Konzertpublikum. Und so wird kaum gelingen können, wovon man hier in Bonn träumt!

Mittlerweile hat ja auch die Urenkelin von Richard Wagner, die neue Intendantin des Beethovenfestes Nike Wagner (wie ich finde) zu Recht Zweifel daran geäußert, daß die Zielvorgabe von 175.000 Konzert-Besuchern im Jahr (140.000 für Klassik & 35.000 für U-Musik) allein in diesem Konzerthaus realistisch ist … und wurde dafür gleich von der Gemeinde der Festspielhaus-Befürworter kräftig kritisiert Selbst bei Einführung weiterer Festivals, die allerdings dem Beethovenfest gleichzeitig Wasser abgraben würden, müßten bei ca. 180 Veranstaltungen im Jahr jeweils knapp 1000 Besucher diese als Zuhörer füllen. Dies wird meines Erachtens in einer Stadt der Größenordnung Bonn nicht möglich sein.

Ohnehin kann man sich nur wundern, daß immer noch – obwohl derzeit nur 30 Millionen der Deutschen Post DHL als Sponsor für den Bau eines solchen Festspielhauses gesichert scheinen – verantwortliche Befürworter wie etwa Stefan Eisel (von den Bürgern für Beethoven) weiterhin unbeirrt an die Realisierbarkeit glauben. Denn es stehen weitere ungeklärte Fragen im Raum.

Zwar haben auf Bundesebene CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag die Pflege des Beethoven-Erbes als „nationale Aufgabe“ definiert und 39 Millionen Euro für eine Stiftung zum Betrieb des Hauses in Aussicht gestellt, diese sind aber gebunden an eine angemessene Mitfinanzierung durch Länder, Kommunen oder auch private Geldgeber. Nun hat aber, wie Sie vermutlich auch der Presse entnommen haben, das Land NRW eine Mitfinanzierung kategorisch abgelehnt. Noch vor kurzem hatte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch die Erwartung geäußert, das Land NRW möge sich mit rund zehn Millionen Euro am Betrieb beteiligen. Mit der Absage aus Düsseldorf zerschlägt sich offenbar seine Hoffnung, mit Hilfe des Landes die Deckungslücke bei den Betriebskosten deutlich zu verkleinern. Der Entwurf des Konzerthaus-Busineßplans geht – ohne Landesbeteiligung – von einem Jahresdefizit von zwei Millionen Euro aus. Einen großen Teil davon will die Telekom als Sponsor für fünf Jahre decken. Das Festspielhaus-Defizit könnte aber auch größer ausfallen, falls das Kapital der Betriebsstiftung geringere Erträge abwirft, als der Busineßplan es vorsieht, und dies ist beim derzeitigen Zinsniveau recht wahrscheinlich!

Nicht ohne Grund kritisierte der Bühnenverein in einer Mitteilung Anfang Dezember des gerade vergangenen Jahres die Finanzplanung. Von den Befürwortern der Errichtung eines neuen Konzerthauses in Bonn fordert der Direktor des Bühnenvereins, Rolf Bolwin, seriöse und realistische Annahmen zur Finanzierung und Publikumsauslastung. „Wer glaubt, mit 75 Millionen Euro privater Investitionsmittel und einem zweifelhaften Busineßplan könne man ein international konkurrenzfähiges Festspielhaus aufs Gleis setzen, der macht sich Illusionen.“ Der Bühnenverein selbst geht bei den Baukosten von mindestens 150 Millionen Euro aus. Auch die Annahmen des Geschäftsplans seien zu optimistisch. „Man sieht in diesem Businessplan Zinsgewinne vor, die frei von wirtschaftlicher Sachkunde sind.“ Zudem seien die angenommenen Zuschauerzahlen und die daraus abgeleiteten Einnahmen stark überzogen.

Nicht, daß ich mißverstanden werde: ich hätte selbst nichts gegen einen schönen neuen Konzertbau mit hervorragender Akustik, wie er z.B. nach dem letzten Architekten-Wettbewerb durch den Entwurf von David Chipperfield zu erahnen ist, würde man bei der derzeit klammen Finanzlage der Kommune nicht nachrechnen müssen und sich solch ein Prestigeobjekt einfach leisten könnte. Aber ich denke noch immer (was ich immer wieder betont habe!), daß es letztlich auf die Inhalte ankommt und nicht auf die Hülle eines imposanten Bauwerks, die auf Dauer Zuhörer anlocken kann, was beispielsweise das Schleswig-Holstein-Festival schon über viele Jahre zeigt, wo Musik auch in Scheunen aufgeführt wird. Und ich bin irgendwie zuversichtlich, es könnte der neuen Intendantin gelingen, dem Beethovenfest wieder ein eigeneres und unverwechselbares Gesicht aufzuprägen mit künstlerischen Akzenten, die nicht auch andernorts zu finden sind. Und notfalls eben auch in einem aufblasbaren Zelt, wie sie es ja schon vorschlug. Auch eine Verdichtung auf eine Zeitspanne von zwei bis drei Wochen wäre kein Unglück für das Beethovenfest. –

 

Die Sonderstellung des Kulturetats der Stadt Bonn, solange sie noch Bundeshauptstadt war, ist lange vorbei und das hatte zwangsläufig Einfluß auf die Veränderungen und Entwicklungen im hiesigen Kulturleben. Vorbei also auch die Zeiten, als etwa zur Ära des Opernintendanten Jean-Claude Riber die Weltstars des Opernbetriebes hier auftraten, die Sänger-Elite sich in Bonn sprichwörtlich die Klinke in die Hand reichte und der „Run“ auf Karten so groß war, daß man vor dem Theaterbüro in langen Schlangen campieren mußte, um die wenigen freien Karten zu ergattern. Man sprach von der „Met am Rhein“! Der damalige österreichische GMD Gustav Kuhn geißelte diese Art Opernbetrieb als „Stimm-Porno“ und es kam zu der berüchtigten handgreiflichen Auseinandersetzung, bei der der GMD den Intendanten öffentlich ohrfeigte.

In der Hoffnung und bei dem Bemühen, der städtischen Musikszene mit berühmten Namen einen weltstädtischen Anstrich zu geben, hatten die Verantwortlichen im Rat der Stadt nicht immer eine glückliche Hand. So engagierte man nach dem Weggang von Riber den Italiener Giancarlo del Monaco, Sohn des berühmten italienischen Tenors Mario del Monaco, als neuen Opernintendanten. Daß del Monaco seine Kasseler Intendantenzeit wegen erheblicher finanzieller Probleme vorzeitig beenden mußte, schien man einfach zu ignorieren. Die Stadt ließ den Künstler, der nach eineinhalbjähriger Vorlaufzeit im September 1992 sein Amt antrat, unkontrolliert mit Steuermitteln agieren. So nebenbei stellte sich da ein Defizit von vier Millionen Mark ein. Der aufgeblasene Opern-Vorstand mit gleich zwei Stellvertretern für den häufig abwesenden del Monaco vernachlässigte jedenfalls seine Aufsichtspflicht. Nun ermittelte erst einmal der Staatsanwalt gegen den Intendanten mit dem großen Namen. (siehe: Focus 15.2.93)

Da del Monaco wie sein Vorgänger eher auf Startenöre wie Carreras, Pavarotti und Domingo setzte, der damals amtierende GMD Dennis Russell Davies jedoch eher als Verfechter der Neuen Musik galt, war weiterer Konfliktstoff vorprogrammiert.

Aber bei den Gagen für Intendant und GMD spielte Bonn auf weltstädtischem Niveau mit: mit einem Jahressalär von 400.000 Mark erhielt der Opernchef mehr als Claus Peymann, der Chef des Wiener Burgtheaters. Davies brachte es mit Hilfe zusätzlicher Dirigate auf eine knappe halbe Million Mark – bei nur sechsmonatiger Präsenzpflicht am Rhein.
Diese Großzügigkeit bei Gagen hat sich Bonn bis noch kürzlich geleistet: der letzte Generalintendant Klaus Weise wurde mit einem Jahresgehalt von über 300.000 Euro verpflichtet. Ob dies angemessen war, sei dahingestellt.

 

Aus meiner Sicht waren es die Jahre unter Manfred Beilharz, die für die Stadt den größten künstlerischen Gewinn bedeuteten. Beilharz, der zunächst 1991 als Schauspielintendant in Bonn begann, wurde 1997, nachdem man die Trennung von Oper und Schauspiel, die 1986 begonnen hatte, wieder aufgab, zum Generalintendanten. Ihm verdankte Bonn das überregional hoch angesehene Festival „Bonner Biennale – Neue Stücke aus Europa“, welches er 1992 mit dem Dramatiker Tankred Dorst gründete. Das alle zwei Jahre stattfindende Festival war Plattform neuer europäischer Dramatik und wurde zunächst auch von Klaus Weise unter veränderten Akzenten weitergeführt. Nach dem Ende des Bonn-Berlin-Ausgleichs 2008 konnte und wollte die Stadt Bonn den Biennale-Etat von zuletzt 1,1 Millionen Euro, der überwiegend aus Bundesmitteln gespeist war, nicht allein aufbringen, und so verschwand die Biennale aus dem Bonner Kulturangebot. 

Dem seit 2013 amtierenden Intendanten Bernhard Helmich fällt nun die nicht dankbare Aufgabe zu, die neuerlichen Sparvorgaben des Stadtrates für Oper und Schauspiel umzusetzen. Schon zu seinem Amtsantritt war der Etat um 1,6 Millionen auf dann insgesamt knapp 28 Millionen Euro gekürzt worden. Sein Konzept wird er morgen, am 14. Januar, dem Kulturausschuß vorlegen. Wie dem Bonner Generalanzeiger in der Ausgabe vom vergangenen Wochenende zu entnehmen war, will er dies mittels weiterem Stellenabbau, Preiserhöhungen, mehr Aufführungen und einer strengeren Ausgabenkontrolle erreichen. „Die Bonner Finanzkrise wird aber die Bewegungsfreiheit des Theaters auch nach Umsetzung des Konzepts noch weiter einschränken, denn die Ratsmehrheit aus CDU, Grünen und FDP will den Zuschuß ab 2020 um weitere 3,5 Millionen Euro kürzen und stellt die Theaterstandorte in Bad Godesberg und Beuel in Frage.“ (GA 3.1.14)

Auf den Vorschlag des Oberbürgermeisters Nimptsch, ganz auf eine eigene Oper zu verzichten (Kooperation mit der Oper Köln), will ich hier nicht auch noch eingehen. Nur soviel: dies würde die Existenz des Beethovenorchesters schwerwiegend beeinträchtigen.

 

Nicht vergessen werden sollte zudem, daß es in Bonn einmal eine eigene Ballett- und Tanzsparte gab. Diese wurde um die Jahrtausendwende mit Pavel Mikuláštiks Choreografischem Theater in Bonn abgewickelt. Hieraus entwickelte sich daraufhin in der sog. freien Szene die Cocoondance-Company unter der Leitung der Choreographin Rafaële Giovanola und dem Dramaturgen Reinald Endraß sowie die Truppe Cerna & Vanek Dance. Ohne die vormals ordentlichen Zuschüsse bestreiten diese beiden Ensembles mit nun nur sehr geringem und bescheidenem Etat beeindruckende Produktionen, nicht nur an ihren heutigen Spielorten in Bonn, der Brotfabrik und dem Theater im Ballsaal.

Diese beiden Beispiele mögen aber deutlich machen, daß Bonn trotz gravierender Einschnitte im Kulturetat weiterhin ein beachtliches Angebot an Veranstaltungen bietet, das nicht zuletzt durch die quirlige freie Szene bestimmt wird. So seien z.B. auch das Theater der Jugend in Beuel oder das Fringe-Ensemble erwähnt, die frisches Blut in erstarrte Theaterstrukturen pumpen.

Es konnten sich zudem ein kleines Schumannfest und Brahmstage in Endenich etablieren.

 

Auch das über die Jahre gewachsene Angebot des Beethovenhauses, das seit mittlerweile 25 Jahren über einen eigenen, feinen und akustisch überragenden Kammermusiksaal verfügt, darf nicht unerwähnt bleiben. Hier hat man im vergangenen Jahr sogar das seinerzeit von Joseph Joachim gegründete Kammermusikfest reaktiviert, mit einer programmatischen Konzeption, die auf ihre eigene Art einzigartig ist, indem nämlich ausgehend von einem zentralen Werk Beethovens, das vor jeweils exakt 200 Jahren entstand, ein beziehungsreiches Geflecht von Veranstaltungen zum Motto gestrickt wird. In wenigen Tagen startet die zweite Ausgabe dieses kleinen Festes.

Vielleicht darf ich an dieser Stelle auch die von mir vor sieben Jahren in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk initiierte Reihe „Wortklangraum“ erwähnen, die versucht, bei acht Veranstaltungen im Jahr auch wieder ein regelmäßiges Forum für Neue Musik in Bonn zu sein und über die Hans-Dieter Terschüren in der Bonner Rundschau schon im 2. Jahrgang schrieb, diese Reihe sei mit ihrer Konzeption der Verbindung von zeitgenössischer Literatur und Musik im Bonner Veranstaltungskalender „gewiß auch ein bißchen konkurrenzlos“ (BR 9.4.10) und „gehört zum Originellsten in Bonn.“ (BR 11.5.10) Die Bonner Rundschau meinte außerdem: „In Bonn suchen solche Konzerte ihresgleichen.“ (BR 10.3.11) – (Aber nun genug der Eigenwerbung!) –

 

Auch ein Blick auf die Veränderungen in der Kunst- und Museumsszene machen deutlich, daß Bonn in den vergangenen Jahren durchaus einen Zugewinn zu verbuchen hat. Bundeskunsthalle, das Haus der Geschichte und nicht zuletzt das städtische Kunstmuseum, das nach den bescheidenen Anfängen in der Rathausgasse seit Anfang der 90er Jahre einen beachtlichen eigenen Bau bekam, haben Bonns Attraktivität erhöht und locken wie zuletzt mit der vor wenigen Tagen zu Ende gegangenen beeindruckenden Macke und Marc Ausstellung ein weit über Bonn hinaus reichendes Publikum an.

Das Wohnhaus von August Macke in der Bornheimer Straße wurde durch eine Bürgerinitiative unter Federführung der damaligen Leiterin des Bonner Kunstvereins Margarete Jochimsen 1991 zu einem kleinen und edlen Museum, das nun in Kürze durch einen Erweiterungsbau an Bedeutung gewinnen wird. Mittlerweile spricht man schon vom Macke-Viertel in der Bonner Nordstadt, wozu auch Kunstverein, Künstlerforum, die GKG (Gesellschaft für Kunst und Gestaltung), der Dialograum Kreuzung an Sankt Helena und das Frauenmuseum sowie das Atelierhaus in der Dorotheenstraße zählen, die alle mit zum Teil beschämend bescheidenen Zuschüssen ein erstaunlich vielfältiges und auch anspruchsvolles Angebot offerieren. Daß dies zum Teil nur mit „Selbstausbeutung“ der Verantwortlichen und ihrem ehrenamtlichen Engagement gelingt, darf nicht verschwiegen werden.

 

Mit diesem grundsätzlich positiven Ausblick möchte ich meinen Vortrag hiermit beenden und erwarte nun eine anregende Diskussion.

 

Michael Denhoff, Rheinbach am 13. 1. 2015

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