Booklet-Text

(deutschenglisch)

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Michael Denhoff

Strophen op. 107 (Auswahl) / Acht Intermezzi op. 112 / Inner minds op. 117

Günter Bialas, Albumblatt GS

Johann Sebastian Bach, Sarabande d-moll

György Kurtág, Signs Games and Messages (Auswahl)

Torben Maiwald, An Wesen

Heinz-Albert Heindrichs, Atem für Atem

 

Michael Denhoff, Campanula (& Ute Blaumer, Harfe)

 

CYBELE RECORDS

SACD 362404

(TT. 74’ 35”)

 

 

 

 

..für:

 

Musik ist Sprache, universell und emotional. Darüber hinaus ist Musik ein Geschenk (die Bibel spricht von einem Geschenk Gottes), eine für die Menschheit essentielle Gabe. Und Musik kann bewahren: Bilder, Situationen, Erinnerungen. Musikalische Geschenke (Widmungen, Hommages) und Erinnerungen (in memoriams) solcherart durchziehen dieses Album. Diese Musik ist bestimmt für offene, neugierige und sensible Ohren. Ihre Für-Sprecher sind hier zwei viel-saitige Instrumente: die Campanula und die Harfe.

 

Für den Komponisten Michael Denhoff war Günter Bialas einer der ersten und wichtigsten Mentoren. Denhoff war zwar nie „offizieller“ Kompositionsschüler der Bialas-Klasse an der Münchner Musikhochschule, aber dennoch existierte seit der ersten Begegnung mit 13 Jahren so etwas wie ein Lehrer-Schüler-Verhältnis, das später zu einer herzlichen Freundschaft wurde. Immer wieder hat Denhoff den Gedankenaustausch mit seinem älteren ersten Vorbild gesucht, was zur künstlerischen Selbstfindung des jungen Komponisten beigetragen hat. Auskunft darüber gibt ein Text, den Denhoff zu Bialas’ achtzigstem Geburtstag verfasst hat. Aus Anlass eines (ebenfalls) runden, nämlich siebzigsten Geburtstages entstand 1985 Bialas’ Komposition „Albumblatt GS“. Hinter den Initialen verbirgt sich der Musikpädagoge Gotthard Speer, der wie Bialas in Schlesien geboren wurde und 1955 das Institut für Ostdeutsche Musik in Bensberg gründete. Sicherlich hat die gemeinsame Herkunft dazu beigetragen, dass Bialas in seinem „Albumblatt“ immer wieder das schlesische Volkslied „Und in dem Schneegebirge“ durchschimmern lässt, oftmals in entrückten Flageolett-Tönen.

Es war übrigens das allererste Werk, welches Denhoff als Cellist 1985 mit der ausdrücklichen Zustimmung von Bialas auf der Campanula uraufführte, kaum nachdem dieses neue Streichinstrument mit Resonanz-Saiten erfunden war.

 

Eine intensive Freundschaft und einen regelmäßigen Austausch pflegt Denhoff bis heute mit dem ungarischen Komponisten György Kurtág. Anders als sein Landsmann György Ligeti wurde Kurtág aus biografischen und politischen Gründen im Westen erst spät wahrgenommen. Inzwischen zählt Kurtág zu den führenden Komponisten der Gegenwart. Seine Musik ist konzentriert. Kurtag ist ein Meister der knappen, intensiven Formen, der Miniaturen, die er in offenen Sammlungen (in progress) wie „Jatékok“ und „Signs, Games and Messages“ versammelt. Sehr schön hat Peter Bitterli (Und immer wieder Abschiede. György Kurtágs Botschaften *) dies zusammengefasst: „Was bleibt vom Menschen? Ein Zeichen vielleicht, das er gesetzt, eine Botschaft, die er weitergereicht hat. Was hat er getan Zeit seines Lebens? Er hat Fragmentarisches geschaffen, er hat Spiele gespielt, wenn es hoch kommt, Zeichen und Botschaften hinterlassen. Was bleibt uns angesichts des Todes anderer? Wir können uns an einen Menschen erinnern, können ihm ein Grabmal als Zeichen seiner Existenz setzen, können ihm mit einer nachträglichen Botschaft die Reverenz erweisen.“

*http://www.beckmesser.de/komponisten/kurtag.html

 

Die mit den ausgewählten „Signs...“ Bedachten sind der 1997 verstorbene Musikschriftsteller György Kroó sowie der Cellist Miklós Perényi.

Gleichsam als „Brücke“ steht vor dieser Sammlungsauswahl die Sarabande aus Johann Sebastian Bachs zweiter Solosuite: ein in sich versunkener und zeitenthobener Tanzsatz, der atmosphärisch und fast unbemerkt „Im Volkston“ mündet (… ganz im Geiste Kurtágs, der immer wieder bei seinen Konzertauftritten seine „Jatékok“ mit eigenen Bach-Transkriptionen interpolierte).

 

Auch im Schaffen von Michael Denhoff spielt die konzentrierte Kurzform eine wichtige Rolle. 2009 hatte er sie sich mit dem „Melodienprojekt“ gar zur Jahresaufgabe gemacht. Wöchentlich entstand eine einstimmige „Melodie“, gewissermaßen die „Grundstrophe“, aus der dann durch diverse Ableitungen und Erweiterungen, vom Duo bis hin zum größeren Ensemble, zahlreiche Varianten möglich waren. „Zentrale Idee war, dabei eine Musik zu schreiben, die nicht allein instrumentenspezifisch gedacht ist, sondern in ihrer klangfarblichen Ausdeutung bedingt offen bleibt,  so dass die „Melodien“ von ganz unterschiedlichen Instrumenten spielbar sind. Dies bedeutete gleichzeitig Freiheit und Beschränkung in der Wahl der kompositorischen Mittel“, erläutert der Komponist in seinem Werkkommentar.

Viele der Strophen sind Personen zugedacht, charakterisieren diese, sollen zu ihnen „sprechen“ oder an sie erinnern. 

 

Dass die künstlerische Miniatur Denhoff fasziniert und inspiriert, zeigt auch seine intensive Beschäftigung mit  der traditionellen japanischen Gedichtform des Haiku. Auf Denhoffs Homepage sind viele eigene Haikus und andere Kurzgedichte zu finden. Seine

2014 entstandenen „Acht Intermezzi“ für Campanula und Harfe bezeichnet er selbst als 

„acht skizzenhafte Miniaturen, gleichsam Zwischenspiele oder Reflexionen zu poetischen Stimmungen und Momenten, wie sie etwa durch die Lektüre von Haikus ausgelöst werden können.“ Der Werkzyklus ist der Harfenistin Helga Storck gewidmet, die über viele Jahre mit ihrem Mann, dem Cellisten Klaus Storck, ein Duo bildete.

 

Eine lang andauernde Freundschaft verbindet Michael Denhoff mit dem Künstler Wolfgang Überhorst. Ihr gegenseitiger künstlerischer Gedankenaustausch mündete zum Beispiel in den fünfteiligen Klavierzyklus „Skulpturen“ op. 76, einem „Dialog ohne Worte“. Die letzten drei Skulpturen des im November 2017 verstorbenen Künstlers, die in einer Ausstellung der Lindauer Galerie „Skulpturale“ erstmals präsentiert wurden, inspirierten ihn zu den „drei Skizzen“, die er unter dem Titel „Inner minds“ zusammenfasste. Die drei kurzen Stücke kommentieren den optischen, emotionalen und körperlichen Eindruck, den die ganz neuartigen Ansätze und Aspekte dieser Skulpturen bei ihm hinterließen.

 

Torben  Maiwald nennt die Komponisten Michael Denhoff und György Kurtág als wichtige Vorbilder und Lehrer seiner Jugendjahre. Studiert hat Maiwald an der Musikhochschule Lübeck bei Friedhelm Döhl. Zu Maiwalds früher Kammermusik zählt die 2006 entstandene Komposition „An Wesen“ für Violoncello solo, ein an (Lebe- oder Geist-)Wesen gerichteter ruhiger, fast meditativer Monolog. Als Denhoff ihm dieses Stück auf der Campanula vorspielte, war Maiwald so fasziniert von den klanglichen Möglichkeiten dieses wie er selbst schreibt „magischen Instruments“, dass er 2010 selbst eine Campanula erwarb und weitere Werke dafür schrieb.

 

Heinz-Albert Heindrichs ist ein vielseitiger Künstler auf verschiedenen Ebenen. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts studierte er Germanistik, Musik- und  Kunstwissenschaft in Bonn. An der Musikhochschule Köln ließ er sich in Komposition und Dirigieren ausbilden. Seine lyrische Hinterlassenschaft ist wesentlich größer als seine kompositorische. Und bisweilen verbindet Heindrichs die eigene Lyrik mit der eigenen Musik, etwa in der Komposition „Atem für Atem“, der sein gleichnamiges Gedicht zugrunde liegt:

Atem für Atem / umfangen uns Flügel //

rot / ein Kometenschweif / stürzt unser Leben dahin /

in labyrinthischer Nacht / und uns bangt / uns bangt um das Ende //

über den Schädeln / lautlos / wölbt sich der Engel Gesang.

 

In seiner Komposition versucht Heindrichs, die Metaphern des Gedichts in Musik zu übersetzen – und geht doch mit dem musikalisch offenen Ende über das Gedicht hinaus.

 

Martella Gutiérrez-Denhoff

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..for:

 

Music is language, universal and emotional. Moreover, music is a gift (the Bible speaks of a gift from God), an essential gift for humanity. And music can preserve: Images, situations, memories. Musical gifts (dedications, tributes) and memories (in memoriams) of this kind run through this album. This music is meant for open, curious and sensitive ears. Their eloquent advocates here are two many-stringed instruments: the campanula and the harp.

 

For the composer Michael Denhoff, Günter Bialas was one of the first and most important mentors. Denhoff was never an "official" student of Bialas' composition class at the Munich Musikhochschule, but nevertheless something like a teacher-pupil relationship existed since their first meeting at the age of 13, which later became a warm friendship. Denhoff repeatedly sought an exchange of ideas with his older first role model, which contributed to the young composer's artistic self-discovery. Information about this can be found in a text Denhoff wrote for Bialas' eightieth birthday. Bialas' composition "Albumblatt GS" was written in 1985 on the occasion of a (likewise) round, namely seventieth birthday. Behind the initials is the music teacher Gotthard Speer, who like Bialas was born in Silesia and founded the Institute for East German Music in Bensberg in 1955. Certainly, their common origins contributed to the fact that Bialas repeatedly lets the Silesian folk song "Und in dem Schneegebirge" shimmer through in his "Albumblatt", often in rapturous harmonics.

Incidentally, it was the very first work that Denhoff premiered as a cellist on the campanula in 1985, with Bialas' express consent, hardly after this new string instrument with resonance strings had been invented.

 

Denhoff has maintained an intensive friendship and regular exchange with the Hungarian composer György Kurtág to this day. Unlike his compatriot György Ligeti, Kurtág was only noticed late in the West for biographical and political reasons. In the meantime, Kurtág has become one of the leading composers of the present days. His music is concentrated. Kurtág is a master of concise, intensive forms, of miniatures, which he collects in open collections (in progress) such as "Jatékok" and "Signs, Games and Messages". Peter Bitterli (And always goodbyes. György Kurtág's messages*) summarised this very beautifully: "What remains of man? Perhaps a sign he set, a message he passed on. What did he do during his life? He created fragments, he played games, if the worst comes to the worst, he left signs and messages. What remains for us in the face of the death of others? We can remember a person, we can set a tombstone to mark his existence, we can pay our respects with a belated message."

*http://www.beckmesser.de/komponisten/kurtag.html

 

Those honoured with the selected "Signs..." are the music writer György Kroó, who died in 1997, and the cellist Miklós Perényi.

The Sarabande from Johann Sebastian Bach's second solo suite stands as a "bridge", as it were, in front of this collection selection: a dance movement lost in itself and removed from time, which ends atmospherically and almost unnoticed "Im Volkston" (... entirely in the spirit of Kurtág, who repeatedly interpolated his "Jatékok" with his own Bach transcriptions during his concert performances).

 

The concentrated short form also plays an important role in Michael Denhoff's work. In 2009, he even made it his annual task with the "Melodies Project". Every week, a single-voice "melody" was created, the "basic verse", so to speak, from which numerous variations were possible through various derivations and extensions, from duets to larger ensembles. "The central idea was to write music that was not intended to be solely instrument-specific, but rather to remain conditionally open in its tonal interpretation, so that the "melodies" could be played by very different instruments. This meant both freedom and restriction in the choice of compositional means," explains the composer in his commentary on the work.

Many of the strophes are intended for people, characterise them, are meant to "speak" to them or remind us of them. 

 

The fact that the artistic miniature fascinates and inspires Denhoff is also shown by his intensive occupation with the traditional Japanese poetic form of haiku. Denhoff's homepage contains many of his own haikus and other short poems. His Eight Intermezzi" for Campanula and Harp, composed in 2014, are what he himself calls "eight sketchy miniatures, as it were interludes or reflections on poetic moods and moments, such as can be triggered by reading haikus." The cycle of works is dedicated to the harpist Helga Storck, who formed a duo with her husband, the cellist Klaus Storck, for many years.

 

Michael Denhoff has a long-lasting friendship with the artist Wolfgang Überhorst. Their mutual artistic exchange of ideas resulted, for example, in the five-part piano cycle "Sculptures" op. 76, a "dialogue without words". The last three sculptures by the artist, who died in November 2017, which were presented for the first time in an exhibition at the Lindau gallery "Skulpturale", inspired him to write the "three sketches", which he summarised under the title "Inner minds". The three short pieces comment on the optical, emotional and physical impression that the completely new approaches and aspects of these sculptures left on him.

 

Torben Maiwald names the composers Michael Denhoff and György Kurtág as important role models and teachers of his youth. Maiwald studied at the Musikhochschule Lübeck with Friedhelm Döhl. Maiwald's early chamber music includes the composition "An Wesen" for violoncello solo, written in 2006, a quiet, almost meditative monologue addressed to (living or spiritual) beings. When Denhoff played this piece for him on the Campanula, Maiwald was so fascinated by the tonal possibilities of this, as he himself writes, "magical instrument" that he acquired a Campanula himself in 2010 and wrote further works for it.

 

Heinz-Albert Heindrichs is a versatile artist on various levels. In the fifties of the last century, he studied German, music and art in Bonn. He trained in composition and conducting at the Cologne Academy of Music. His lyrical legacy is much greater than his compositional one. And sometimes Heindrichs combines his own poetry with his own music, for example in the composition "Atem für Atem" (Breath for Breath), which is based on his poem of the same name:

breath for breath / wings embrace us //

red / a comet's tail / plunges our lives away/

in labyrinthine night / and we fear / we fear for the end //

above the skulls / soundlessly / the angels' song arches.

 

In his composition, Heindrichs attempts to translate the metaphors of the poem into music - and yet goes beyond the poem with the musically open ending.

 

Martella Gutiérrez-Denhoff

 

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