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Odyssee der stillen Giganten
Denhoffs „Monologe I – V“ im Landesmuseum in Darmstadt

 

 

Die Beschwörung der Stille über den Nachhall von in Schwingung versetzte Tonwellen, Klangschichtungen, Obertönen, das bestimmt die „Monologe I – V“ (entstanden in den Jahren 1986-89) des Komponisten (Studium bei Jürg Baur und Hans Werner Henze) und Cellisten (Siegfried Palm und Erling Blöndal-Bengtsson) Michael Denhoff.

 

Wer sich auf dieses außergewöhnliche Klangerlebnis einlässt, erlebt im Augenblick der tönenden Ereignisse die Aufhebung von Zeit und Raum, obgleich beide außermusikalischen Parameter ganz im Dienste der Komposition stehen. Der Nachhall im Foyer des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt lässt die dumpf-erdigen Tonwellen weiterschwingen, gewährt genügend Raum zur kristallinen Dechiffrierung der gleichzeitig sich ereignenden Schwingungsereignisse, und dies bis zur Durchhörbarkeit von scheinbar nicht mehr möglich Hörbarem. Obertöne, aber auch die Auflösung schnell aufeinander folgender Tonreihen offenbaren nahezu jedes Detail des jeweiligen Klangprozesses. Für den Zuhörer werden die (von ihrer zeitlichen Dauer her) weit den üblichen Rahmen eines Konzertes sprengenden „Monologe“ somit zur Odyssee im Reich der Schwingungsereignisse, die selbst in den Tonhöhen stets matt gedämpft und von sanfter Nervigkeit getrieben absolute Stille und Ruhe fordern. Das Rascheln eines Papieres, minimal eindringende Umweltgeräusche von Außen, ein heftiges Schnaufen und Hüsteln wird zum verheerenden Störfaktor. Der Wiedereintritt in die Realität am Ende der Ausführungen gleicht dem Erwachen aus einem tiefen, kraftvollen, beseligenden Traum.
 
Schnell werden dabei Assoziationen wach an die Kompositionen des russisch Zeitgenossen Alexander Knaifel, der im vergangenen Jahr mit seinem acht Werke umfassenden Zyklus Offenbarungen das Publikum zu den Frankfurt Festen in der Alten Oper mit seinen „stillen Giganten“ konfrontierte. Auch wenn sich die „Monologe“ Denhoffs mit den Offenbarungen Knaifels weder von der Intention noch Ton für Ton vergleichen lassen, so streben sie doch beide ein und dasselbe Ziel an: In bewußter Abkehr von der gewohnten Alltagsträgheit und üblicher Zerstreuung der geistigen und kulturellen Werke fordern sie Verinnerlichung und Intensivierung zugunsten einer möglichen Erfahrbarkeit des Menschen in der Wechselbeziehung von Raum und Zeit.

 

Dass dies in Darmstadt möglich war, ist nicht zuletzt ein Verdienst der Ausführenden. Friederike Richter (präpariertes Klavier), Wolfgang Lessing (Campanula, ein Celloähnliches Instrument), Angelika Bender (Bassflöte), Cynthia Mowery (Harfe) und Andrea Reuter (Sopran), Mitglieder des Ensembles Phorminx Darmstadt, das sich auf die Wiedergabe zeitgenössischer Musik in Zusammenarbeit mit den Komponisten spezialisiert hat, verstanden es hervorragend, technisch absolut versiert die Vielfalt der Klangformung ihrer Instrumente auszureizen und musikalisch die Intentionen des Komponisten sehr eindringlich nachzuzeichnen. Darüber hinaus verstanden sie es geradezu meisterhaft, die die jeweiligen „Monologe“ wesentlich mitbestimmende Komponente der raumgegebenen Akustik in das intensive Erleben der Musik mit einzubeziehen.

 

C. Franke

 

(Main-Echo vom 14.07.1993)

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