Die Nachkommen des Ludwig van B. sind unter uns:
Michael Denhoff, Komponist in Bonn
– und eine Ausstellung zum Hören und Sehen
Natürlich ist er, der große Ludwig van B., ein „Pfund, mit dem wir wuchern müssen“, wie OB Bärbel Dieckmann, befragt zur Zukunft der Bonner Kultur, Mitte Juli gegenüber dem Bonner "General-Anzeiger" betonte. Aber es gibt in Bonn nicht nur Beethoven. Die Bundesstadt beherbergt in ihren Mauern vielmehr etliche musikalische Talente, deren Namen einen guten Klang haben. Wir besuchten den Komponisten Michael Denhoff, einen gebürtigen Westfalen, der jedoch seit 1980 in Bonn lebt und arbeitet und mit Fug und Recht von den Bonnern als „einer von uns“ angesehen wird. Denhoff, der auch als Cellist im Bonner Ludwig-Quartett mitwirkt, lebt gern hier, zumal die Musikstadt Köln nicht weit ist. Das Werkverzeichnis des Allround-Musikers und leidenschaftlichen Pfeifensammlers ist opulent und kann sich trotz seiner vergleichsweise jungen Jahre (Jahrgang 1955) sehen lassen. Es reicht von Bühnenwerken wie der Kammeroper "Der Pelikan" (nach Strindberg) über Stücke für Orchester, Kammerorchester, Orchester mit Gesang/Chor, Gesang mit Klavier / Harfe bis zu zahlreichen Solowerken für unterschiedlichste Instrumente. Streichquartette und Klavierkonzerte bilden (wie bei Beethoven ... ) den Schwerpunkt von Denhoffs kompositorischem Schaffen. Bereits mehrfach mit Förder- und sonstigen Preisen ausgezeichnet (und dennoch ein Verfechter des Credo: „Ich zweifele an mir, also bin ich“), begibt sich der Villa Massimo-Stipendiat zum Arbeiten gern in Klausur, da besonders der Beginn einer Komposition ein Höchstmaß an Konzentration erfordert, das der Familienvater im Alltag nicht immer findet. Wenn dann der glückliche Umstand eintritt, daß nicht er schreibt, sondern „es schreibt“, gleichsam wie von selbst, dann kann er im „Rauschzustand, wenn die Gedanken der Geschwindigkeit des Schreibvorganges vorauseilen“, ein Streichquartett auch schon mal in vier kurzen Tagen vollenden.
Zur Tonaufnahme bei den glücklichen Kühen
Das Studienjahr in der Villa Massimo (1986/87), an dessen Ende sein in Rom entstandenes abendfüllendes Oratorium "Traumbuch eines Gefangenen" in Bonn uraufgeführt wurde, hat zweifellos Einfluß genommen auf seine Arbeit – noch immer sieht sich Michael Denhoff in der grandiosen, inspirierenden Kulisse des Forum Romanum: „Angedeutet Vergangenes, das Sehnsucht macht …“. Von solcher Art ist seine Musik – jüngst wurde in Hamburg sein Mallarmé-Zyklus, zwölf Quartette für zwölf Musiker, uraufgeführt. Michael Denhoff begreift den Klangraum als „Metapher für den Lebensraum“, „will den Raum mit Klang durchsetzen und ihm so Körper geben“.
Seine spezifische Affinität zu Malern ließ ihn des öfteren mit bildenden Künstlern zusammenarbeiten. So kam auch der Kontakt zustande, den Bonner Künstler in der Vorbereitung der Ausstellung "Synchron 97", in der es um die vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Musik und bildender Kunst geht, mit Denhoff knüpften. "Synchron 97" schließt sich an die gleichnamige Präsentation des Jahres 1994 an, damals organisatorisch betreut von dem inzwischen verstorbenen Bonner Künstler Wolfgang Benz und von Werner Götzinger, dem gemeinsam mit Mareile Schaumburg, Marliese Münchrath und Jochen Röder auch die Planung oblag für die diesjährige Ausstellung, an der sich außer den genannten Bonner Künstlern noch Gina Rohrsen und Ludwig von Winterfeld beteiligen. Vernissage ist im Künstlerforum Bonn am 31. August, Finissage am 28. September 97. Auswärtige Künstler, die ihre Teilnahme zugesagt haben, sind Erdmuthe Scherzer-Klinger (Linz, Österreich, Bilder), Ingeborg Ulrich (Schellerten/Dinklar, Bilder / Objekte), Wolfgang Überhorst (Niederbachem, Skulptur) und Karsten Mittag (Eppendorf). Zum Gedenken an den Initiator der ersten Ausstellung, Wolfgang Benz, ist geplant, einige seiner späten Bilder zu zeigen, Ausgangspunkt dieser Optisches und Akustisches vereinenden Idee ist die bildende Kunst, die sich darstellen laßt: „Angestrebt“, so Werner Götzinger, ,,wird die Synthese von Klang, Bild und Raum aufgrund der Erkenntnis, daß Musik und Malerei den gleichen Gesetzen folgen und oft in wörtlichen Bezeichnungen übereinstimmen“.
Von Erdmuthe Scherzer-Klinger aus Österreich stammt das Bild zum „Klangbrief über einen Akkord“, das in der Schau "Synchron 97" zu sehen sein wird.
Die bildenden Künstler haben eine Fülle künstlerischer Interpretationsmöglichkeiten: Bearbeitete Notationen, grafische Partituren, fotografische Umsetzungen, Installationen (wie z.B, bei der ersten Ausstellung eine Fanny-Hensel-Installation von Mareile Schaumburg), Bildhauerei, Rauninstallation bis zum Komponisten-Porträt. Michael Denhoffs Klavierzyklus ''Hebdomadaire'', der als Heft IV Klangbriefe, so über ein Tremolo, über einen Akkord, ein Intervall, einen Rhythmus in Anlehnung an unterschiedliche Komponisten, Schubert, Liszt, Beethoven, Mahler, Verdi u. a. enthält, wurde als übergreifendes, Impulse und Brücken zwischen Musik und Malerei vermittelndes Thema für "Synchron 97" ausgewählt.
Der Komponist, der die Klangbriefe „als kreative Auseinandersetzung und Verneigung vor der musikalischen Ahnengalerie und als Reaktion auf musikalische Bausteine der Vergangenheit“ betrachtet, stellte Tonbandaufnahmen, Quellenauszüge (jedes Stück enthält Zitate eines berühmten Komponisten), Skizzen aus der Kompositionsphase und eine Partiturreinschrift zur Verfügung. Die Klangbriefe greifen einen mit einer signifikanten Geste oder einem typischen musikalischen Baustein gekoppelten Klang eines Komponisten der Vergangenheit auf und entwickeln daraus eigenständige Charakterstücke, die in ihrer Textur zwar die Bezüge nicht leugnen, dennoch unverkennbar Denhoffs eigenes Klang- und Strukturdenken widerspiegeln als Variationen über ein nicht eigenes Thema im Sinne einer vom Komponisten angestrebten Synthese von Tradition und Fortschritt. Zur Finissage am 28. 9. spielt die bekannte Pianistin Birgitta Wollenweber (wir stellten sie in KABINETT Nr. 4/96 vor), eine hervorragende Interpretin von Denhoffs Kompositionen, im Künstlerforum inmitten der Werke, zu denen bildende Künstler von Musik inspiriert wurden.
''Synchron 97'': Ein „bildmusikalisches“ Ereignis der besonderen Art, das sich Kunstfreunde jedweder Couleur nicht entgehen lassen sollten im Sinne von Michael Denhoffs Aussage: „Die Klänge sind nur Bilder dessen, was hinter ihnen liegt“. Nicht die Wirkung seiner Musik ist sein Anliegen, sondern die Suche gilt dem, „wovon Musik nur die Übersetzung ist“. Das gilt in nicht geringerem Maße natürlich auch für Bilder, so daß sichtbare wie hörbare Klänge zu einer harmonischen Synthese, „synchron“, verschmelzen werden. Ein Stück Mysterium, das weiß Michael Denhoff, das wissen die Künstler der bildenden Zunft, bleibt bei jeder Kunst, auch für deren Schöpfer.
Petra Rapp Neumann
in: „Kabinett“, Heft 2 – Sommer 1997
siehe auch: Michael Denhoff: Reagieren und Auslösen Zur Ausstellung „Synchron 97 - Klangbriefe” im Bonner Künstlerforum. Bonn 1997
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