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Michael Denhoff
SKULPTUREN op. 76 Klavierzyklus (1996 – 2005)
Ein interdisziplinärer Dialog mit Skulpturen von Wolfgang Ueberhorst
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Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 1 (1996) „Schlafende Muse“ (Bronze)
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Seit 1996 führte ich mit dem Bildhauer Wolfgang Ueberhorst ein „Gespräch“ in unserer jeweils eigenen Disziplin. Als Projekt, mit zunächst offenem Ende angedacht, war dieses „Gespräch“ auf mehrere Jahre hin angelegt. Wolfgang Ueberhorst hatte eine erste Bronze-Skulptur entworfen, auf die ich mit einem Klavierstück klanglich-musikalisch reagierte. Er antwortete seinerseits auf dieses Klavierstück („Skulptur I“) wieder mit einer weiteren Bronze-Skulptur, welche mich zum nächsten Klavierstück („Skulptur II“) anregte u.s.w. ... |
Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 2 (1999) „La reine et la clef“ (Bronze & Silber) |
Verabredete „Spielregel” war es dabei, sich die Titel (und ggf. Untertitel) der bildhauerischen wie musikalischen Werke nicht gegenseitig bekanntzugeben. Das Reagieren und Deuten sollte stattfinden ohne miteinander über die gedanklichen Hintergründe der eigenen Interpretation der jeweiligen „Antwort“ zu sprechen: nur das Gesehene und das Gehörte sollte die Dynamik dieses Prozesses bestimmen.
Weit über das nur Sichtbare und Hörbare hinaus entstanden dabei übergreifende geistige Zusammenhänge, die nicht allein mehr mit rein formalen Entsprechungen oder empfundenen Analogien zu erklären sind. Die jeweiligen „Antworten“ sind sowohl nachdenkendes Reagieren als auch weiterführendes Ergründen dessen, was das Einende und gleichzeitig Trennende von Musik und bildender Kunst ist, etwas, das sich eben vielleicht nicht genauer und richtiger als in dieser Form benennen läßt.
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Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 3 (2001) „Gawagai“ (Bronze)
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Nachdem im Laufe von neun Jahren mittlerweile jeweils fünf „Skulpturen“ entstanden sind, hatten wir beide nun das Gefühl: es ist ein sinnvolles Ende dieses Projektes erreicht. Da aber zu jedem Klavierstück des Zyklus’ eigentlich zwei Bronze-Skulpturen gehören – eine impulsgebende und eine reagierende (was auch umgekehrt gilt: zu jeder Bronze-Skulptur gehören entsprechend je zwei Klavierstücke) – hat Wolfgang Ueberhorst nun 2007 noch ein letztes Mal mit einer sechsten Skulptur bildhauerisch Antwort geben.
Mir scheint jetzt – auch aus Gründen einer zyklischen Konzeption der „Klavier-Skulpturen“ – ein in sich zwingender Bogen in der musikalischen Dramaturgie gegeben zu sein. Und mit einer Aufführungsdauer von über einer Stunde sind die fünf Klavierstücke bei einer Gesamtaufführung abendfüllend.
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Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 4 (2003) „Nascita di un’ idea“ (Bronze & Alabaster)
Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 5 (2005) „Klangkörper“ (Bronze & Edelstahl)
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Das für uns beide so Faszinierende bei dieser besonderen Form des Sich-Austauschens war, das Gefühl zu haben, dabei zu klanglichen und bildhauerischen Lösungen zu kommen, formal wie inhaltlich, die ohne diese nonverbale Form eines „Dialogs“ nicht möglich gewesen wären.
So sind beispielsweise meine fünf Klavier-Skulpturen alle bestimmt von einer Körperlichkeit, die in meinen anderen Werken nicht so stark ausgeprägt ist. Die durch den musikalischen Text vorgegebenen Bewegungsabläufe des Interpreten während des Spiels werden selbst zum wichtigen Bestandteil des jeweiligen Stückes. Die Aufführung der „Skulpturen“ wird selbst zum Akt räumlichen wie skulpturalen Denkens.
Für mich selbst wurde die Arbeit an diesem Zyklus zudem eine erneute, aber unter anderen Vorzeichen stattfindende Auseinandersetzung mit den Phänomenen Raum und Zeit. Denn eine Skulptur akzentuiert den sie umgebenden Raum, wie Töne und Klänge die Luft in Schwingung setzen. Und während Musik sich dabei mit ihrer akustischen Gestalt in den Raum stellt und diesen einnimmt, so greift eine Skulptur mit ihrer körperlichen Gestalt in den Raum ein, in den sie hineingestellt ist.
Eine Skulptur zeigt sich dem Betrachter, bedingt durch ihre dreidimensionale Ausdehnung, nie in ihrer räumlichen Ganzheit. Sie entsteht als Ganzes nur im Kopf, nachdem sie von allen Seiten her betrachtet wurde. |
Wolfgang Ueberhorst, SKULPTUR Nr. 6 (2007) „Barcarola“ (Bronze)
Lesen Sie auch:
Ein Künstlergespräch mit Wolfgang Ueberhorst Von Arturo Eskuchen
Skulptur wird Klang wird Skulptur wird Klang … Vortrag beim 1. Innsbrucker Symposion „Musik nach Bildern“ am 16. April 2010 Von Michael Denhoff
Hören Sie auch:
mit Wolfgang Ueberhorst und Michael Denhoff über das Projekt (WDR3 „Mosaik“, 31.10.08)
Martin Erdmann über das Skulpturenprojekt (SWR2 „JetztMusik“, 23. 11. 09)
aus: Skulptur III |
Klänge können die Zeit, in die sie sich ausdehnen und in die sie hineingestellt sind, zwar gleichzeitig aufheben, kraft dessen, wie sie dieser Zeit Gestalt geben; dennoch kann der Hörer ein Musikstück ebenfalls nie als Ganzes in einem Moment erfassen. Nur die Erinnerung hilft ihm, das Gehörte im Nachhinein als eine Einheit zu begreifen.
Michael Denhoff, im Oktober 2007
Skulptur I op. 76, 1 (1996) / ca. 15’ UA 1997 in Köln Birgitta Wollenweber, Klavier
Skulptur II op. 76, 2 (1999) / ca. 8’ UA 2002 in Bonn Martin Tchiba, Klavier
Skulptur III op. 76, 3 (2001) / ca. 16’ UA 2002 in Bonn Martin Tchiba, Klavier
Skulptur IV op. 76, 4 (2003) / ca. 15’ UA 2003 in Ahaus (Kompositionsauftrag der Stadt Ahaus zum 300. Schloßkonzert) Martin Tchiba, Klavier
Skulptur V op. 76, 5 (2005) / ca. 10’ UA 2006 in Wachtberg-Niederbachem Susanne Kessel, Klavier
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