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Haiku

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im alten Jahr

einatmen und ausatmen

im neuen Jahr

 

 

Das vergangne Jahr –

nur einen Moment entrückt

beim Glockengeläut.

 

 

Am Neujahrsmorgen

den Schnee von gestern

beiseite räumen.

 

 

oben Schnee

unten Schnee – alles

nur Schnee

 

 

helle Winternacht

über den weißen Dächern

der Mond ein Gedicht

 

 

rote Netzstrümpfe –

wie lächerlich sie aussieht

an Weiberfastnacht

 

 

Tauwetter.

Mutter und Tochter

Arm in Arm.

 

 

Wolken ziehen

in entgegengesetzte

Himmelsrichtung …

 

 

langsam aufgespießt

von einem Kondensstreifen

zum Wolkenschaschlik

 

 

hinter Nachtwolken

noch verborgen die Worte

für das graue Licht

 

 

Frühlingslicht.

Gegenüber werden die

Fenster geputzt.

 

 

Frühlingsmorgen.

Niemand teilt meine

Traurigkeiten.

 

 

      horizontlinie                                die

die                     singt        abend    lo

                                 eine          me

 

 

Neumondnacht

irgendwo

warten Worte

 

 

Winde und Wasser –

ihre Klänge betten mich

in einsamer Nacht.

 

 

Schaufel und Besen.

Im gelben Laternenlicht

ein Liebespaar.

 

 

Die Eiche und ich.

Unsre Schatten gezeichnet

auf die Mondwiese.

 

 

Warum? –

Fragen stellt man nicht

im Mondlicht.

 

 

fünfzehnter April –

schon wieder

ein Jahr verstrichen

 

 

immer rasender

die Lichterketten der Stadt

die ich verlasse

 

 

was wird bleiben

vom Traum

nach dem Erwachen

 

 

nimm mich

helle Nacht

in deine Arme

 

 

Gefällte Tannen.

Der Harzduft in den Händen

der Waldarbeiter.

 

 

Holzscheite am Wegrand.

Die Kinder machen daraus

ein Xylophon.

 

 

Balancieren auf

gestapelten Baumstämmen

zur Waldnachtmusik

 

 

in der Dämmerung –

zum Verwechseln gleich

alle Waldwege

 

 

atmendes Weiß

wächst dem Wolkengrau

entgegen

 

 

All diese Stimmen! –

Die lärmende Bühne Kopf

vor dem Einschlafen.

 

 

im Zwischenreich –

die Geräusche des Tages

verblühen

 

 

im Nachtgarten

nur noch das Weiß

der Hortensie

 

 

moosgrün der Weg in

unsere Vergangenheit

am Wildwasserlauf

 

 

Lichtung –

ein weißgelber Ton

im Innenohr

 

 

Pssst ! –

zwei Falter balzen auf der

Enzianblüte.

 

 

Im Nieselregen –

der Geruch

des nassen Asphalts.

 

 

Brandung –

angespült auch

ein verlorenes Gefühl

 

 

Lichtspiegelungen –

das Meer der Erinnerung

blendet

 

 

auf der Veranda

in den Nachtnebel starren –

ein Schatten dort, du

 

 

Schnee im August.

Die gescheiterte Hoffnung

im Kopf.

 

 

Mückentanz –

von Astor Piazolla

ein Tango.

 

 

leider erwacht

beim Kuß

der guten Fee

 

 

noch kein Gesicht

aber schon begonnen

das Einlächeln

 

 

alles Glück

in dieser Stimme

ohne Gesicht

 

 

die Fremde –

vertraut aus einem Traum

ihre Stimme

 

 

wir durchwachen

die Nachtstunden zusammen

an zwei Bildschirmen

 

 

Gedanken fliegen

wie Nachtfalter zum Licht

ihrer Auslöschung

 

 

Ein Wegweiser

am Rand der Erinnerung –

horch, diese Stimme!

 

 

Die große Liebe.

Erzähl den Enkeln keine

Märchen und Träume.

 

 

Die Füße streifen

Erde unter der Schaukel.

Du bist kein Kind mehr.

 

 

am Telefon

wie aus dem Jenseits

ihre Stimme

 

 

Adieu –

das Zauberwort

verloren

 

 

wieder alleine –

nicht einmal ihre Stimme

erinnere ich

 

 

Nie wieder

wird es Sommer werden

mit dir.

 

 

das große Rätsel

Liebe –

unlösbar für uns

 

 

Silberne Hochzeit. –

Nur ein paar Lachfalten mehr.

 

 

mit jedem Schritt

etwas länger

dein Schatten

 

 

weit weg

du

noch näher

 

 

Nachtbogen –

unsere Saiten

schwingen noch –

 

 

Berlin Moabit.

Die Sonne kriecht zum nächsten

Fensterloch.

 

 

Glockengeläut weht

über das Tal

der Ahnungslosen.

 

 

Zum Zentralfriedhof –

der Bettler am Straßenrand

weist den Weg dorthin.

 

 

Laue Sommernacht.

Zu Sambaklängen tanzen

Menschen und Mücken.

 

 

Hotel am Stadtrand.

Fernlaster fahren Träume

am Fenster vorbei.

 

 

Heimweg.

In freiem Fall

die letzten Stunden.

 

 

Ein Hauch Orient

weht vom Garten des Nachbarn

in deinen Abend.

 

 

Herr und Hund

atmen

die gleiche Luft

 

 

Herbstsonne.

Sein lichtes Haar

funkelt.

 

 

die Erde dreht sich

zu den Liedern des

Leierkastenmanns

 

 

Blitzlichtgewitter.

Das Gesicht des Stars

noch weißer.

 

 

Entlassen. –

Er hängt seine Jacke

an den Nagel.

 

 

 

Altpapiersammlung.

Im Windelkarton liegen

bunte Schulhefte.

 

 

Das Buch in der Hand.

Wie anders sich auf einmal

die Zeit anfühlt.

 

 

Lichtkante

von leeren Regalen

gefaltet

 

 

Nach dem Streit –

er donnert Rachmaninow

in die Tasten.

 

 

Knabenaltsolo.

Die bunten Kirchenfenster

noch leuchtender.

 

 

wie traurig sie mich

anschaute

nach dem Konzert

 

 

gefroren

die Zeit

zu Klang

 

 

in dieser Stille

der Klang nach dem

du suchtest

 

 

Warum leben wir?

– und das Kind fragt:

Warum sterben wir?

 

 

zwei Daten

im Granitstein

mehr nicht

 

 

in diesem Augenblick

entschwand mir

die kleine Ewigkeit

 

 

An der Aufzugtür:

„Wer nicht denken will fliegt raus“ –

eine Beuys-Karte.

 

 

Kurzes Gastspiel –

Felix hat noch keine

Waschmaschine.

 

 

Die Kabinentür

schließt wieder – ihr Parfum ist

nicht ausgestiegen.

 

 

gestolpert –

einen Schritt

weiter

 

 

 

 

 

© 2005  Michael Denhoff 

 


 

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siehe auch:

 

13 Stationen

 

Farben – Leere

Sieben Zweizeiler

 

… im Lichtkegel der Schreibtischlampe …

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