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Haiku

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das neue Jahr

einen Herzschlag

später diesmal

 

 

erster Januar

die Gedanken noch

im letzten Jahr

 

 

Nordostwind

die erste Nacht im Jahr

nichts geträumt

 

 

rückwärts blättern

die Zeit

in Fotoalben

 

 

das große Schweigen

auf dem schwarzen Monitor

nur mein Spiegelbild

 

 

warten

gestern

und auch heute

 

 

es war

Liebe

auf die erste Mail

 

 

Herzrasen –

lautlos zittert in der Hand

die Kompaßnadel

 

 

ein Akkordeon

- zwischen Mond und Wolke -

komponiert Träume

 

 

zwischen zwei Zügen

gleißend silberne Gleise

im Gegenlicht

 

 

nur für Sekunden

der milchige Mond in einer

Wolkenvagina

 

 

Letzter Nachtbus.

Nur Erinnerungen

steigen noch zu.

 

 

So viel weiße Leere

um die Worte

Du fehlst!

 

 

Abschiedsworte.

Sie lächelt regungslos –

schwarz gerahmt.

 

 

der letzte Ton

fällt

in die Mondschale

 

 

auf dem Schuhregal

erzählen sich die Stiefel

von ihren Wegen

 

 

beschnittener Baum –

nackte Arme ergreifen

das Himmelsblau

 

 

Schumanns Mondnacht.

In seinem Sterbezimmer

wird das Licht gelöscht.

 

 

Valentinstag.

Eine Rose läßt schon

den Kopf hängen.

 

 

schlaflos –

wie ruhig sie atmet

neben mir

 

 

als Lesezeichen

im Telefonbuch eine

Visitenkarte

 

 

der Wind

raucht

meine Pfeife

 

 

Wintersonne

im durchscheinenden Geäst

erster Vogelgesang

 

 

fremde Stadt

beim Aldi alles

wie gewohnt

 

 

wie glücklich

sich alles fügte

im Traum

 

 

nach der Predigt

die Orgel brüllt

wortlos

 

 

die Finger tanzen

pianissimo zum

Bolero-Rhythmus

 

 

In diesem Moment:

der Computer

schreibt seinen Namen.

 

 

Schneetreiben.

Die Buchstaben suchen

ein Wort.

 

 

Halbschlaf –

die Gedanken

melden sich ab

 

 

Wiedersehen.

Noch immer das Leuchten

ihrer Augen.

 

 

Laterne und Mond

blinzeln durch Holzlamellen

mir Schlaflosem zu

 

 

die Kranke

wie schön sie humpelt

 

 

gegenüber

auf dem Dach

schon wieder Schnee

 

 

vor dem Auftritt

als Schlagschatten der Pianist

schon zu sehen

 

 

wartend

die Klimaanlage

spüren

 

 

Bahnunterführung –

gehen mit dem Echo

der eignen Schritte.

 

 

noch gestern

war alles

wintergrau

 

 

weißgrün durchflutet

die Kirschblüte im Fenster

das ganze Zimmer

 

 

zarte Blüte

am Wegrand

namenlos

 

 

Wiener Walzer.

Der Saal dreht sich

immer schneller.

 

 

am Flußufer –

wo nur die Zeit

verschwunden ist

 

 

zwei Portweingläser

gefüllt mit Ribeira

im Abendlicht

 

 

Alte Tram.

Langsam ziehen vorüber

Lebensgeschichten.

 

 

Nebenstraße.

Tauben bewohnen jetzt

die Belle Étage.

 

 

stumm nebeneinander

im Museum

sichtbare Rätsel

 

 

in den Hängen

des Häusermeeres wandern

Nebensonnen

 

 

Computerabsturz.

Wie krakelig ist meine

Handschrift geworden.

 

 

zwischen Buchdeckeln

eine Einführung in die

digitale Welt

 

 

Kreuzung –

hier trennen sich

unsere Wege

 

 

der Postbus

ein Chamäleon

im Rapsfeld

 

 

Veronika,

der Lenz ist da, singt sie

beim Spargelschälen

 

 

der große Kirschbaum
ohne Blattwerk unsichtbar
für Satelliten

 

 

Abendleuchten –

ein erloschner Vulkan

die Gedanken

 

 

Ein Brief aus Paris.

Zwischen den Zeilen

das alte Lächeln.

 

 

in der Garage

wie verschmitzt er mich anschaut

der alte Käfer

 

 

Reiselektüre.

Ingeborg Bachmann fliegt mit

nach Manhattan.

 

 

Dauerregen

schon den ganzen Tag

Brahms im Kopf

 

 

Schumanns Waldszenen.

Im Flur weinen fast lautlos

die beiden Schirme.

 

 

so viele Sterne

zwei Augen

die sie anschauen

 

 

Schweigen. –

In ihren Brillengläsern

ziehen Wolken.

 

 

die Kinderhand

führt mich zurück

nach Hause

 

 

Krankengeschichten.

Auf jeder Parkbank

eine andere.

 

 

sie singt

ihr Lied

nur für mich

 

 

Arbeitersiedlung.

Fenster und Türen schauen

ihr Spiegelbild an.

 

 

lautlos die Nacht –

geblendet vom Vollmond

innehalten

 

 

Magisches Traumwort.

In den Morgen gerettet

sein helles Echo.

 

 

In den Regalen

erzählen sich die Bücher

ihre Geschichten.

 

 

gelöscht

Zeile für Zeile

Alles

 

 

das Erwachen

der Billigflieger vor dem

Morgengrauen

 

 

nur ein Pinselstrich –

ich habe ihn gesehen

den Fuji

 

 

im Kräutergarten

bittersüßer Nachtschatten

und Feld-Mannstreu

 

 

Janáčeks „Märchen“.

Die Leichtigkeit des Seins:

eine Erinnerung.

 

 

Nelke am Revers

aus dem Blickfeld verschwunden

das fremde Lächeln

 

 

dein und mein

Schatten

verschmelzen

 

 

schwarz vor mir

eilt voraus

mein Schatten

 

 

Wasserfall.

Das rettende Ufer

eine Täuschung.

 

 

Alter Friedhof.

Die Namen geschrieben

von dunklem Moos.

 

 

Der Vollmond spannt

über den dunklen Strom

eine lichte Brücke.

 

 

beim Frühstück

eingeholt von der

Vergangenheit

 

 

Herbststurm.

Unbewegt nur

ihre Miene.

 

 

späte Sonne –

so schön singen

Steine selten –

 

 

Novembertag.

Der Herbstwind pflückt sich

das letzte Gelb.

 

 

eine Tür

geöffnet

zur Stille

 

 

seinen Schatten denkt

mit dem zweiten Pinselstrich

der Grashalm sich

 

 

aschgraue Weite –

losgelöst von Zeit und Ort

ein Krähenschrei

 

 

sich verlieren

in der Unendlichkeit

des Denkens

 

 

 

 

 

 

 

© 2006  Michael Denhoff 

 


 

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siehe auch:

 

13 Stationen

 

Farben – Leere

Sieben Zweizeiler

 

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